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5. Bergzeitfahren Spaichingen (4,2 km, 280 hm) 05.07.14


Es war mal wieder soweit. Nachdem ich letztes Jahr nicht die Form für so ein kurzes Rennen hatte, wollte ich mich dieses Jahr nun bereits zum fünften Mal der Herausforderung des Spaichinger Bergrennens stellen. Die Saison wollte Ende letzten Jahres nicht so richtig in Gang kommen, da entdeckte ich im Tour-Forum den Trainingsplan von User Wasi. Dieser stellte einen Trainingsplan für 5 Monate vor, der die neuesten Erkenntnisse der Trainingswissenschaft beinhalten sollte und im Dezember 2013 begann. Ich folgte dem Plan so gut es mir möglich war. Das ganze war nicht nur sehr motivierend sondern auch sehr lehrreich. Letztlich stand ich mit fast 4.000 km in den Beinen (seit 01.01.14) für meine Verhältnisse sehr gut vorbereitet am Start. Meine bisherige Bestzeit stammte aus dem Jahr 2010 und lag bei 12:38 min. Da meine bisherigen Trainingseindrücke eine gute Form erahnen ließen, war das Ziel schnell formuliert: Bestzeit. Zwei Wochen zuvor war ich im Training genau 13 Minuten gefahren. Damals war noch ein wenig Luft nach oben, 20-30 Sekunden sollten unter dem üblichen Wettkampf-Adrenalin noch drin sein. Im Idealfall also eine Zeit unter 12:30 min.


Bereits am Freitagabend konnte ich meine Startzeit auf der Homepage des Veranstalters ersehen und staunte nicht schlecht. Die zehn Favoriten wurden in umgekehrter Reihenfolge ans Ende der Startliste gesetzt und ich war gerade noch so als Nummer 10 in den Favoritenkreis gerutscht. Nach mir sollten also nur noch schnellere Fahrer kommen. Glücklicherweise wurde das Startintervall für diese Zehn von 30 Sekunden auf 1 Minute erhöht. So lief ich nicht Gefahr auf der Strecke von hinten überholt zu werden. Das hätte nicht gerade zur Motivation beigetragen.


Eine gute Stunde vor dem Rennen, startete ich bei Temperaturen von 20° und leichtem Nieselregen mein Aufwärmprogramm. Ziemlich Pech gehabt mit dem Wetter, könnte man nun denken. Aber für mich war das genau das Richtige. Je kälter es ist, desto besser bring ich meine Leistung auf die Strasse. Wenn dann von oben auch noch nasse Kühlung kommt, läuft mein Motor auf Hochtouren. Nach 25 Minuten lockerem Fahren streute ich zwei harte 2-Minuten Intervalle mit 7 min Pause ein um den Laktatabbau vor dem Rennen schon mal in Gang zu bringen. Danach wurde wieder locker 25 Minuten rumgerollt ehe ich mich pünktlich wieder am Start einfand. Ich hatte ein leicht flaues Gefühl im Magen und dachte schon, ich hätte vielleicht doch zu früh Mittag gegessen und mir besser noch einen Riegel eingeschoben. Aber ändern konnte ich es jetzt eh nicht mehr.


Der Starter zählte die Sekunden rückwärts und dann ging es los, immer noch bei leichtem Regen. Wie immer beschleunigte ich erstmal auf über 25 km/h nur um sofort festzustellen, dass ich viel zu schnell war. Also erstmal wieder etwas rausnehmen. Ziel war es im Schnitt ca. 20 km/h zu fahren. Da der Anstieg sehr gleichmäßig mit etwa 6,6% Steigung verläuft, kann man sich auch sehr gut an der Geschwindigkeit orientieren. Und zum ersten Mal klappte das auch sehr gut. Während ich die letzten Jahre immer zu schnell angegangen war, bremste ich mich diesmal erfolgreich ein. Die Beine fühlten sich zwar gleich zu Beginn etwas schwer an, das Gefühl ließ aber rasch nach. Und so meisterte ich die ersten rasch aufeinander folgenden Kehren problemlos. Schnell überholte ich die ersten Fahrer die vor mir gestartet waren, versuchte aber mich davon nicht beeindrucken zu lassen, und weiter meine Geschwindigkeit zu halten.


Dann folgte das steilste Stück, für gut 200 Meter zieht die Steigung etwas an. Ich schaltete einen Gang zurück, versuchte aber die Geschwindigkeit einigermaßen zu halten. Kurz danach passierte ich den Karlsbrunnen, mein Anhaltspunkt für die Zwischenzeit. Bei meinem Testlauf war ich hier genau nach 6 min vorbeigekommen. Vor vier Jahren stand hier eine 5:30 Uhr auf der Uhr, eine Fabelzeit, für die ich wenig später heftig bezahlen musste. Für das heutige Rennen hatte ich mir etwa die goldene Mitte ausgerechnet. Und tatsächlich kam ich nach exakt 5:45 dort an. Aber nicht nur die Zeit war gut, ich fühlte mich auch noch prima. Der Puls kratzte gerade mal an der 170er Marke, was mir zeigte, dass ich heute noch einige Reserven für die zweite Rennhälfte hatte. Es folgte die unendlich lange drittletzte Gerade, anfangs noch etwas steiler, später wieder gut zu fahren. Immer mal wieder blickte ich auf den Tacho und stellte zufrieden fest, dass ich die 20 km/h Marke fast halten konnte. Der Puls stieg jetzt zwar kontinuierlich an, aber noch war ich nicht am Limit. Trotzdem begannen die Beine langsam mächtig zu brennen und die Atmung wurde immer unruhiger.


Ich erreichte die zweitletzte Serpentine und noch einmal wurde es für einige Meter steil. Jetzt musste ich erstmals richtig kämpfen. Trotzdem konnte ich bis hierher zufrieden sein. So spät im Rennen war dieser Punkt noch nie gekommen. Ich stieß einen lauten Schrei aus und versuchte so noch einmal die letzten Kräfte zu mobilisieren. Vor mir tauchte ein Schild auf 900 Meter. „Verdammt dachte ich mir, ich hab doch nur noch diese eine lange Gerade und dann kommt schon die Zielgerade, warum ist das noch ein ganzer Kilometer“, schoss es mir durch den Kopf. Alle 100 Meter war jetzt die Restdistanz angezeigt. Ich hätte aber schwören können, die Streckenabschnitte von Schild zu Schild wurden immer länger. Dafür wurden die Zeitabstände immer kürzer, in denen mein Hirn mir befahl, die Beine hochzunehmen. Diesen Befehlen zu trotzen, dem immer intensiveren Verlangen endlich aufzuhören nicht nachzugeben, das ist es, was so ein Bergzeitfahren ausmacht. Auf der einen Seite freute man sich auf diesen Kampf, andererseits fürchtet man ihn insgeheim. Letztlich entscheidet sich in dieser Phase aber das Rennen und hier wird der Unterschied gemacht, zwischen einer guten und einer sehr guten Zeit. Es war jetzt nur noch ein Kampf von Schild zu Schild. Drücken, immer weiter Drücken, ums Verrecken durfte die Trittfrequenz und damit die Geschwindigkeit nicht sinken. Noch einmal puschte ich mich mit einem lauten Schrei. Noch 500 Meter, nur noch 500 Meter.


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Die letzten Meter, ein einziger Kampf beim Spaichinger Bergrennen auf der Zielgeraden

Durch den Regen sah ich mittlerweile nichts mehr durch meine Brille und konnte so die vergangene Zeit nicht ablesen. Ich kam nun aber an die Stelle, wo sich meine Mutter positioniert hatte. Ein schneller Griff an die Stirn und die Brille flog ihr in hohem Bogen direkt vor die Füße. Immerhin konnte ich jetzt den Tacho wieder lesen. Der Puls war auf 180 und damit fast bis zum Maximum gestiegen. Ich erreichte endlich die letzte Kehre und schaute auf die Uhr. Gerade waren 12 Minuten vergangen, „Scheiße“, dachte ich mir „das wird knapp mit einer Zeit unter 12:30". Außerdem war ich entsetzt, das Ziel noch nicht zu sehen. Eine letzte leichte Linkskurve musste ich noch überstehen. Unglaublich wie lange 200 Meter werden können. Ich schaltete noch einmal zwei Gänge nach oben und beschleunigte auf der flacher werdenden Zielgeraden auf 25 km/h. Verzweifelt versuchte ich die Zeitnahme zu entdecken, was mir nicht gelang. Gleichzeitig war ich aber auch nicht mehr fähig, die Zeit vom Tacho abzulesen. Dann verließen mich 15 Meter vor dem Ziel die Kräfte. Ich konnte einfach nicht mehr treten, zumindest wollte ich nicht mehr. Die Beschleunigung hatte aber ausgereicht, um ohne großen Geschwindigkeitsverlust über die Ziellinie zu rollen.


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Endlich im Ziel. Ausgepowert aber rundum zufrieden. Im Ziel des Spaichinger Bergrennens

Völlig fertig bremste ich ab, hing mit dem Kopf über dem Lenker und schnappte nach Luft. Dann hörte ich die Durchsage des Sprechers. „Alexander Hauser im Ziel mit einer sehr guten Zeit von 12:21“. „Wow“ dachte ich, „geile Zeit!“. Erst danach wurde mir klar, dass ich den Tacho am Start etwas zu früh auf 0 gestellt hatte und daher wohl schon mit 5 Sekunden auf der Uhr gestartet war. Deswegen hatte ich noch in der letzten Kehre nicht mit so einer Zeit gerechnet. Im Nachhinein aber gar nicht verkehrt. So war ich auf der Zielgeraden gezwungen gewesen, noch mal alles zu geben. Als ich mich einigermaßen erholt hatte, sah ich wie sich die letzten Teilnehmer ins Ziel kämpften. Fantastische Zeiten wurden jetzt gefahren. Der Sieger hieß am Ende Christopf Fuhrbach, der Weltrekordhalter im 24-Stunden Höhenmeterfahren. Mit 10:58 min scheiterte er denkbar knapp um 1 Sekunde am bisherigen Streckenrekord. Die vollständigen Ergebnisse gibt es unter: www.spaichinger-bergrennen.de


Fazit:

Zum Rennen an sich habe ich ja schon oft genug etwas geschrieben. Einfach eine tolle Veranstaltung. Mittlerweile gibt es für die 10 Euro Startgebühr nicht nur ne Packung Nudeln, sondern auch ein nettes Shirt. Die Organisation ist top und die Strecke sowieso. Die Zeiten die mittlerweile gefahren werden, zeigen auch, dass andere das genauso sehen. Jedenfalls scheint das Niveau von Jahr zu Jahr höher zu werden. Mit meinem Rennen war ich natürlich rundum zufrieden. Sicher hatte mir das Wetter in die Karten gespielt. Aber auch die Einteilung des Rennens hatte erstmals gut geklappt. So verlor ich diesmal keine Zeit auf der zweiten Hälfte und musste deutlich kürzer an der Schmerzgrenze fahren. Zu guter Letzt scheint auch das Training gut angeschlagen zu haben. Dies gibt mir jetzt noch mal zusätzlich Motivation für die nächsten zwei Monate. Denn dann steht schon das zweite große Ziel in diesem Jahr an, Sub9 beim Ötztaler Radmarathon. Ich hoffe nur, dass die zwei Monate reichen, um mich auch auf so eine lange Strecke vorzubereiten. Wir werden es sehen…