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Rundtour von Saint Michel de Maurienne über den Bonette und zurück durch das Piemont vom 04.07.15 - 10.07.15

    Tag1 (Col du Telegraph, Col du Galibier)

    Tag2 (Col d'Izoard, Col de Vars)

    Tag3 (Col de la Bonette, Col de la Lombarde)

    Tag4 (Col de la Lombarde, Colle dei Morti)

    Tag5 (Colle di Sampeyre)

    Tag6 (Col d'Agnel)

    Tag7 (Col du Mont Cenis)


1. Tag (Col du Telegraph, Col du Galibier)


Trotz spärlicher Vorbereitung wollte ich auch dieses Jahr nicht auf meinen Urlaub in den Alpen verzichten. Das Ziel war schnell gefunden. Die letzten fehlenden 2.000 der französischen und italienischen Alpen wollten bezwungen werden. Da Steffi, mit der ich zwei Jahre zuvor schon unterwegs war, immer mal das Piemont kennenlernen wollte, hatte ich auch schnell einen Wegbegleiter für die Tour gefunden. So klingelte am Samstagmorgen um 4:00 Uhr mein Wecker und eine Dreiviertelstunde später hatte ich Steffi und ihr Scotty an Board und es ging los. Die Fahrt verlief sehr gut, bis wir kurz vor Saint Jean de Maurienne in das Radrennen La Marmotte gerieten. Das kostete uns einiges an Zeit und wir konnten daher auch nicht wie geplant in Saint-Julien-Mont-Denis parken. Wir suchten uns daher im nächsten Dorf Saint-Martin-de-la-Porte einen geeigneten Platz. Schon beim Auspacken wurde uns bewusst, dass es ein verdammt heißer Tag werden sollte. Der Schweiß floss bereits hier in Strömen, obwohl wir noch keinen Meter gefahren waren. Um kurz nach 12 Uhr starteten wir schließlich in unser Abenteuer. Es sollte ein sehr ereignisreicher Urlaub werden.


Eine kurze Abfahrt und ein paar flache Kilometer zum Einrollen, dann erreichten wir in Saint Michel de Maurienne den Einstieg zum Col du Telegraph. Schon von unten ist das in Passnähe stehende Fort du Telegraph hoch über dem Dorf zu sehen. Um diese Zeit brannte die Sonne natürlich gnadenlos und Schatten suchte man vergeblich. Da auch kein Hauch von Wind wehte, hatten wir bereits hier zu leiden. Wenigstens war die Steigung erträglich und sehr konstant. Steffi, die ähnlich wenig trainiert hatte wie ich, konnte mein Tempo erwartungsgemäß nicht mitgehen. Da ich aber wie immer zahlreiche Fotostopps einlegte, musste ich nur manchmal zusätzliche kurze Pausen einlegen. Nach einigen Kilometern, spendete uns der Wald immer mal wieder für ein paar Meter Schatten. Das tat unglaublich gut und ich versuchte in diesen Momenten ganz langsam zu fahren, um möglichst lange etwas davon zu haben.

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Steffi in einer der Kehren während des Anstieges zum Col du Telegraph

Insgesamt fuhren wir aber viel öfters in der Sonne als gedacht. Ich war den Pass ja bereits zweimal gefahren und dachte eigentlich, dass er fast komplett im Wald verlief. Das mag zwar grundsätzlich stimmen. Steht die Sonne aber im Zenit, bringt das eben nichts. Für französische Verhältnisse war einiges an Verkehr vorhanden. Aber es war natürlich auch Wochenende und fantastisches Ausflugswetter.

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Blick auf das Fort du Telegraph in der Nähe des gleichnamigen Passes.

Die letzten Kilometer waren wir dann wieder fast ausschließlich der Sonne ausgesetzt. Trotzdem kamen wir einigermaßen gut voran und erreichten nach 1,5 Stunden die Passhöhe. Wir verzogen uns auf den kleinen Picknickplatz über der Passhöhe, und machten erstmal Pause. Danach füllten wir unsere Flaschen und aßen einen Happen. Dann folgte die kurze Abfahrt nach Valloire und der Anstieg zum Col du Galibier begann. Die Strasse zieht sich zunächst für etwa 10 km kurvenarm im Tal der Valloirette entlang. Bis auf einen steilen Kilometer kurz nach Valloire sind bis dahin kaum schwere Abschnitte zu bewältigen. Trotzdem mussten wir hier ordentlich leiden. Die Sonne brannte einfach unbarmherzig auf uns nieder. Mein Tacho zeigte bereits Temperaturen von 40° an. Wenn ich Pausen machte um auf Steffi zu warten, tat ich dies nur im Schatten. Auch wenn diese Plätze sehr rar gesät waren. Das war hier überhaupt nicht mein Wetter. Mir kann es beim Radfahren eigentlich nicht kalt genug sein. Aber auch für Steffi, die gerne bei heißem Wetter fährt, war das hier eine Nummer zu viel.


Nach einer Weile trafen wir auf einen älteren Italiener der von Susa über den Galibier zum Telegraph gefahren war und sich jetzt auf dem Rückweg befand. Er war völlig fertig und sagte er fahre keinen Meter mehr. Er würde jetzt warten bis ein Wohnmobil vorbeikommen würde und ihn mitnahm. Er war aber bei weitem nicht der Einzige, der am Galibier an seine Grenzen kam. Insgesamt habe ich selten so viele Radler leiden sehen. Bereits auf diesem eher einfachen Teil des Galibiers mussten einige ihr Rad bereits schieben. Es war ein schwacher Trost, dass andere genau so leiden mussten wie wir. Mehr schlecht als recht schlugen wir uns bis Plan Lachat durch und machten dort erstmal länger Pause. Glücklicherweise gab es dort einen Brunnen und wir nutzen ihn ausgiebig. Dann folgten die letzten 8 steilen Kilometer. Über einige Serpentinen gewannen wir nun rasch an Höhe.


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Blick zurück auf Plan Lachat, dem Ende des gemütlichen Teils beim Anstieg zum Col du Galibier

Die ersten beiden Kilometer liefen unglaublich flüssig. Ich war überrascht wie viel Power noch in meinen Beinen steckte. Doch das Hochgefühl war schnell vorbei. Von Minute zu Minute wurde ich nun schwächer. Steffi hielt den Abstand, auch aufgrund meiner vielen Fotopausen konstant und hielt gut mit. Ich bekam plötzlich auch Hunger und mir lief kalter Schweiß den Rücken runter. Ich brauchte jetzt dringend eine Pause. Gott sei Dank erreichte ich bald den kleinen Käseladen Les Granges du Galibier. Ich setzte mich in den Schatten und futterte einen Riegel. Laut Steffi, die kurz danach ankam, sah ich komplett weiß im Gesicht aus. So fühlte ich mich auch. Eine kurze Pause und ein paar Kohlehydrate später, wurde es langsam wieder besser und wir setzten unsere Fahrt fort. Die Passhöhe war von hier bereits zu sehen und flösste einem durchaus Respekt ein.


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Blick zurück auf die tolle Landschaft während der letzte Kilometer am Col du Galibier

Anfangs kamen wir noch vernünftig voran, dann folgten die letzten beiden sehr steilen Kilometer, welche uns noch mal ordentlich einbremsten. Steffi hatte hier einen ersten Tiefpunkt und musste kurzfristig absteigen. Insgesamt schlug sie sich aber tapfer. Zu dieser Zeit kämpften wir mit zwei anderen Radfahrern. Diese waren zwar deutlich schneller unterwegs und überholten uns oft. Anscheinend mussten sie ihrem Tempo aber ständig Tribut zollen und Pause machen, so dass wir wieder an ihnen vorbeizogen. Ziemlich angenockt erreichten wir schließlich die Passhöhe. Steffi war von der Aussicht begeistert. Ich natürlich auch, wenngleich ich diesen Anblick ja schon kannte. Daher verzichtete ich diesmal auch, auf den kleinen Hügel rechts des Passes zu steigen. Wir genossen das Panorama eine Weile und machten uns dann an die Abfahrt.


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Blick auf die Südabfahrt vom Col du Galibier. Im Hintergrund die mächtigen Pics de Combeynot des Massif des Ecrins

Diese war anfangs nicht so schön, später ganz nach meinem Geschmack. Mit über 60 km/h konnte man es serpentinenarm laufen lassen, ohne oft die Bremse ziehen zu müssen. Als es gegen Ende etwas flacher wurde, verlor ich kurzfristig Steffi aus meinem Windschatten und brauchte eine Weile, bis ich es bemerkte. Über die lange steile Gerade in Briancon erreichten wir schließlich um 18:20 Uhr nach 77 km, 2100 hm und einer reinen Fahrtzeit von 4,5 h beide ziemlich kaputt die Altstadt Vauban City. Dort hatten wir erstmal Mühe unsere bereits gebuchte Pension des Remparts zu erreichen. Es fand ein mittelalterliches Fest statt und direkt vor unserer Pension gab es gerade eine Vorführung. Die Pension in der ich vier Jahre zuvor schon einmal übernachtet hatte, ist schon gut in die Jahre gekommen. Ein eigenes Bad sucht man hier auch vergebens. Es folgte das übliche Waschen, Duschen, Essen fassen, ehe wir den Tag auf der Terrasse vor der Pension ausklingen ließen.

Übersicht


2. Tag (Col d'Izoard, Col de Vars)


Das Fest vor unserem Hotel war um 23:00 Uhr, als ich mich schlafen legte noch nicht vorbei. Wenigstens war es im Zimmer einigermaßen kühl. So schlief ich zwar nicht wirklich gut, lag aber nie lange wach. Um 6:20 Uhr war die Nacht trotzdem schon vorüber. Steffi konnte ein wenig länger schlafen und so dümpelte ich noch eine halbe Stunde auf dem Zimmer rum. Um 7:30 Uhr ging es dann zu einem spärlichen Frühstück, allerdings mit einem verdammt leckeren Croissant. Um 8:20 Uhr starteten wir dann unsere zweite Tour. Auf dem Markt in Briancon holten wir uns noch eine Portion Obst, dann ging es in den Anstieg zum Col d’Izoard. Den Anstieg kannten wir beide schon und freuten uns durchaus darauf.


Die ersten 10 km bis Cervieres waren noch recht locker zu fahren, zwischendrin ging es sogar ein Stück bergab. Außer der einen oder anderen Motorradgruppe war nicht viel los. Allerdings hatten wir hier andere Begleiter. Zig Fliegen verfolgten uns den gesamten Anstieg und nervten gewaltig. Der Anstieg durch die Schlucht der Cerveyrette war in diesem Bereich eher aussichtsarm. Ab dem hübschen Dorf Cervieres ändert sich der Charakter des Passes dann gewaltig. Die nächsten sieben Kilometer wiesen eine Durchschnittssteigung von über 8% aus. Trotzdem war zu dieser frühen Zeit die Hitze noch einigermaßen erträglich.


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Das hübsche kleine Dorf Cervieres leitet den Beginn des steilen Abschnittes am Col d'Izoard ein

Da ich irgendwann herausgefunden hatte, dass die Fliegen mir bei Geschwindigkeiten über 12 km/h nicht folgen konnten, gab ich zwischendrin immer mal wieder ordentlich Gas. So hatte ich wenigstens ab und zu meine Ruhe. Allerdings musste ich deshalb auch nach einer Weile am Ende der langen steilen Geraden lange Zeit auf Steffi warten. Gemeinsam nahmen wir dann die letzten 2,5 km in Angriff. Auf dem letzten Kilometer ließ die Steigung etwas nach, dafür wurde das Panorama immer schöner


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Die Panoramaaussicht auf die letzten Meter der Nordauffahrt am Col d'Izoard


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Und so sähe das ganze aus, wenn man den Col d'Izoard von Süden her bezwingen würde

Gut gelaunt erreichten wir um ca. 10:30 Uhr die Passhöhe. Ich gönnte mir etwas zu essen und bestieg den kleinen Hügel rechts der Passhöhe. Anschließend wurden noch ein paar Fotos geschossen ehe wir uns durch die Casse Deserte auf die Abfahrt nach Guillestre machten. Anfangs mussten viele Serpentinen überwunden werden, was die Fahrt bremste. Bei dem herrlichen Panorama das sich einem bot, war einem das aber gerade recht.


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Blick auf die Casse Deserte während der Abfahrt vom Col d'Izoard nach Süden

Später konnte man es dann wunderbar laufen lassen. Ein guter Asphalt rundete den Spaß ab. Beim Abzweig zum Col d’Agnel war die Freude allerdings abrupt vorbei. Nur noch 2% Gefälle und übler Gegenwind zwangen uns nun fleißig mitzutreten. Obwohl der Puls ähnliche hoch wie am Anstieg zuvor gewesen sein dürfte, schafften wir teilweise keine 30 km/h. Ein kleiner Gegenanstieg kurz vor dem Ende rundete den Spaß dann ab. Immerhin durften wir die letzten 2 km nach Guillestre dann noch mal eine kurze Abfahrt genießen.


Ich fragte Steffi, ob wir nach Guillestre reinfahren sollten, um etwas zu essen. Aber sie fühlte sich wohl noch gut und so starteten wir zum Col de Vars. Hätte sie gewusst, was uns da noch erwartet, hätte sie sich wohl anders entschieden. Denn schon kurz danach wurde uns beiden klar, dass es ab hier kein Zuckerschlecken werden würde. Die Sonne brannte wieder unbarmherzig auf uns nieder und schattenspendende Plätze waren rar gesät. Die Steigung von fast 8% auf den ersten acht Kilometer tat ihr übriges. Teilweise fuhren wir nur 2 km am Stück, ehe wir wieder für einige Minuten unter einem Baum pausierten.


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Blick zurück auf Guillestre zu Beginn des Anstieges zum Col de Vars

Nach etwa 5 Kilometer zog es Steffi dann in einer Serpentinengruppe den Stecker. Sie musste vom Rad und für einige Meter laufen. Ich selbst war aber auch schon gut angenockt. Der Hitze konnte man sich einfach nicht entziehen. Erbarmungslos sog sie die Energie aus unseren Körpern. Wir machten wieder eine längere Pause und studierten das Profil des Passes. Wir wussten dass wir noch ca. 3 steile Kilometer vor uns hatten, ehe das Flachstück begann. Das war unser nächstes Ziel. Also fuhren wir weiter. Die ersten paar Minuten nach den Pausen, fühlte man sich jeweils erstaunlich frisch. Die Abkühlungen im Schatten hatten wohl ihr Ziel nicht verfehlt. Leider dauerte dieser Zustand meist nicht lange an. Und so mussten wir auch am Col de Vars schon bald wieder leiden. Ich fuhr teilweise fast wie in Trance. Der Thermometer zeigte mittlerweile 41° an. Nach zähen Minuten erreichten wir endlich das Ende des Steilstücks und es wurde deutlich flacher. Nach einem Kilometer folgte sogar eine kurze Abfahrt nach Vars Saint Marcelin. Als wir durch den Ort fuhren, erkannte ich auf der rechten Seite im Augenwinkel einen Brunnen. Sofort zog ich die Bremsen und an Steffis Gesicht sah ich, dass sie nichts aber auch gar nichts dagegen einzuwenden hatte. Also hielten wir unseren Kopf unter das Wasser und kühlten uns ab. Nur kurze Zeit später erreichten wir Vars Sainte-Marie und machten dort die nächste Pause im Restaurant La Vieille Auberge.


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Blick auf Vars Saint Marie während des Flachstücks am Col de Vars

Das stellte sich als prima Idee heraus. Wir bestellten uns das Tagesessen und bekamen Rindfleisch, Gemüse eine Grilltomate und Kartoffelgratin. Es war einfach nur lecker. Vielleicht auch deshalb, weil wir endlich mal längere Zeit im Schatten saßen und ich dazu noch ein kaltes Glas Milch trank. Auf der gegenüberliegenden Seite sahen wir einen Sessellift, der sogar in Betrieb war. Ich schäme mich nicht zu sagen, dass wir tatsächlich überlegten, ihn zu benutzen. Aber ich dachte mir schon, dass er nicht Richtung Passhöhe fuhr und die freundliche Kellnerin bestätigte uns dies auch. Also mussten wir irgendwann mit dem Rad weiter. Schon bei den ersten Schritten raus aus dem Schatten traf einen die Sonne wieder wie der Blitz. Als wir losfahren wollten, trafen wir noch zwei Motorradfahrer aus München. Sie konnten nicht fassen, dass wir bei der Hitze mit dem Rad die Berge hochfuhren. Mal abgesehen davon, dass ich mittlerweile auch kaum glauben konnte, dass wir so blöd waren bei der Hitze zu fahren. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass es sonderlich viel Spaß macht, bei der Hitze mit einer Lederkombi unterwegs zu sein.


Das Flachstück war nun leider vorüber und uns begrüßten wieder Steigungen um die 7%. Ich fuhr jetzt mein eigenes Tempo und wählte die aberwitzige Variante in der Sonne möglichst schnell und im Schatten möglichst langsam zu fahren. Blöd nur, dass es kaum Schatten gab. In Le Claux gab es den nächsten Brunnen und wieder streckte ich für einige Sekunden meinen Kopf unters Wasser. Am Ortsende von Le Claux zog die Steigung dann noch einmal richtig an und ich wusste, dass ich hier auf Steffi warten musste. Diese hatte den Brunnen in der Ortsmitte verpasst und war dementsprechend schon wieder gezeichnet. Mein Versprechen, das später noch ein See kommen sollte, beflügelte sie aber noch mal und wir setzen unsere Fahrt fort. Den ersten See am Refuge Napoleon ließen wir noch links liegen. Am zweiten kurze Zeit später wurden wir dann aber schwach. Obwohl wir die Passhöhe schon sehen konnten, hüpften wir beide hinein. Den Körper endlich mal komplett runterkühlen zu können, tat enorm gut. So waren die letzten paar hundert Meter bis zur Passhöhe kein Problem mehr.


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Steffi auf den letzten Metern der Nordauffahrt am Col de Vars. Im Hintergrund der erste See am Refuge Napoleon

Oben gönnten wir uns erstmal ein alkoholfreies Bier. Die Abfahrt bereitete dann nicht wirklich Freude. Sehr steil und viele Kurven, später zumindest teilweise auch recht holprig. Die letzten 6 km bis zum Abzweig zum Col de la Larche mussten wir dann wieder ordentlich mittreten. Etwa genau so weit, aber wieder etwas steiler war es dann noch bis Jausiers. Um kurz vor 17:00 Uhr erreichten wir schließlich nach 93 km, 2.300 hm und einer reinen Fahrtzeit von 5h unser Ziel, das Hotel Le Sans Souci. Direkt vor dem Hotel, gab es eine kleine Tankstelle. Dort trafen wir tatsächlich die beiden Motorradfahrer vom Col de Vars wieder, die uns noch mal ihren Respekt zollten. Wir hatten ein kleines Zimmer und spulten unser übliches Programm ab. Abends schlenderten wir ein wenig durch Jausiers und schauten uns von außen das Hotel Villa Morelia an. Das hatte im Vorfeld auch zur Auswahl gestanden und wäre wohl die bessere Wahl gewesen. Jedenfalls sah es durchaus nobel aus. Zu Abend gegessen wurde im Les Arcades. Für mich gab es eine leckere Pizza und ich ließ danach Steffi im Mau Mau nicht den Hauch einer Chance. Meine Pizza war übrigens so riesig, dass ich mir einen Teil davon einpacken ließ. Danach ging es zurück ins Hotel und kurz danach in die Betten.

Übersicht


3. Tag (Col de la Bonette, Col de la Lombarde)


Wie immer hatte ich eine eher unruhige Nacht. Leider mussten wir dann noch 15 Minuten warten, weil das Frühstück nicht rechtzeitig fertig war. Dafür war es durchaus lecker und es gab endlich auch mal Müsli. Um 8:20 Uhr starteten wir dann zum Col de la Bonette. Steffi war im Vorfeld nicht begeistert davon, dass der Pass auf meinem Programm stand. Sie war ihn schon einmal gefahren und fand ihn alles andere als toll, wohl auch, weil sie seinerzeit die ganze Zeit gefroren hatte. Ich aber musste diesen Pass natürlich noch einmal fahren. Nachdem ich dort vor vier Jahren eines meiner größten Radabenteuer erlebt hatte und den Pass am Ende zu Fuß und im Schnee überquert hatte, war klar, dass ich eines Tages wiederkommen würde. Der Start verlief dann sehr verheißungsvoll. Nie wirklich steil und schon früh mit einer schönen Aussicht, konnte sich auch Steffi langsam für den Bonette erwärmen.


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Hier möchte ich mal begraben werden. Blick vom Anstieg zum Col de la Bonette in Richtung Col de Parpaillon

A propos erwärmen. Ich muss wohl nicht betonen, dass es auch heute wieder hochsommerliche Temperaturen hatte. Das freute wohl auch die Fliegen. Denn wie schon am Izoard, waren sie auch am Bonette ständige ungeliebte Begleiter.


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Der Autor mit einem Heiligenschein seiner unliebsamen Begleiter. Nervige Fliegen am Col de la Bonette

Auf den ersten acht Kilometer waren nur zwei kurze Serpentinengruppen zu überwinden, ansonsten zog sich die Strasse mit angenehmer Steigung und leichten Kurven dem Ziel entgegen. Danach wurde es etwas steiler, aber trotz einem Schnitt von bis zu 9% pro Kilometer, hatten wir beide nie das Gefühl, schwer oder unrhythmisch treten zu müssen. Bei mir kamen hier natürlich ständig Erinnerungen hoch. So fuhr ich denn pass quasi zeitgleich zweimal. Einmal in der Gegenwart, während ich die tolle Landschaft genoss und einmal in der Vergangenheit, während ich mich an die total verregnete Tour und meine damaligen Leiden erinnerte.


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Blick zurück auf die zweite Serpentinengruppe während des Anstieges von Jausiers zum Col de la Bonette

Nach einer Weile kamen uns von oben mehrere Jungs auf Longboards, teilweise stehend, teilweise liegend entgegen. Soll noch einmal einer sagen, Rennradfahren sei gefährlich. Die Jungs hatten zwar einiges an Schutzkleidung an. Ohne Bremsen 10 cm über dem Asphalt eine Alpenstrasse runterzuheizen, ist aber sicher trotzdem nicht ohne.


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Blick zurück auf das tolle Panorama während des Anstieges zum Col de la Bonette

Nach knapp 17 km erreichten wir dann den See, an dem ich vor vier Jahren meine Klamotten wechselte und verwundert feststellte, dass der Regen in Schnee übergegangen war. Ich ließ es mir natürlich nicht nehmen, diesmal ein Bad darin zu nehmen. Und auch Steffi musste nicht erst überredet werden. Es war schon ein befriedigendes Gefühl genau hier zu baden. Sollte mich jemals wieder jemand fragen, was für Wetter man im August in den Alpen erwarten kann, zeige ich ihm die Bilder dieses Sees. Einmal eingehüllt in zarte Schneeflocken und einmal den Autor beim plantschen. Dann ist eigentlich alles gesagt.


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So gehts auch. Bad am Lac des Eissaupres auf 2.300 m Höhe am Anstieg zum Col de la Bonette
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Hier zum Vergleich. Selber See, selber Monat vor 4 Jahren, anderes Wetter

Als wir uns wieder zur Weiterfahrt fertig machten, kamen plötzlich ein Notarzt und die Feuerwehr angefahren. Wie wir später erfuhren, war wohl kurz vor unserer Ankunft am See ein Motorradfahrer aus der Kurve geflogen und hatte sich das Schlüsselbein gebrochen. Für uns ging es nach dem kurzen Schock direkt wieder mit etwa 8% Steigung aber weiterhin sehr gleichmäßig nach oben. Je weiter wir nun voran kamen, desto karger wurde die Landschaft. Nach einigen Serpentinen erreichten wir die alten Restefond-Kasernen.


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Blick zurück auf die Restefond-Kasernen während des Anstieges zum Col de la Bonette

Der weitere Verlauf der Strasse bis zum Col de Restefond war jetzt bereits gut zu erkennen. Die Steigung ließ jetzt etwas nach und so konnten wir trotz dünner werdender Luft die Landschaft in vollen Zügen genießen. Aber erst als wir am Col der Restefond vorbeikamen, sahen wir zum ersten Mal den gewaltigen Berg aus feinstem Geröll, die Cime de la Bonette und die Panoramaschleife, die um sie herum führt. Hier hätte man problemlos eine Folge von Raumschiff Enterprise drehen können. Man fühlte sich hier eher wie auf dem Mond als in den Alpen. Am Col de Restefond trifft man auch auf die Schotterstrasse, welche vom Col de Moutiere hochkommt. Auch so ein Anstieg, von dem ich schon lange träume.


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Blick auf die faszinierende Mondlandschaft an der Cime de la Bonette und die Schotterstrasse vom Col de la Moutiere

Schließlich erreichten wir den Col de la Bonette. Die Schleife um den Berg ist offiziell gegen den Uhrzeigersinn zu fahren. Wir hielten uns auch daran. Die Steigung ging jetzt in den deutlich zweistelligen Bereich und wir mussten erstmals an diesem Tag ein wenig Leiden. Aber konnte man das wirklich Leiden nennen. Das Wetter war prima und das Panorama gigantisch. Ich schüttelte den Kopf und konnte es nicht fassen, hier bei diesem traumhaften Wetter unterwegs zu sein. Vier Jahre zuvor war ich auf der anderen Seite der Schleife vom Rad gestiegen, weil mein Hinterreifen im Schnee durchgedreht hatte. Eine tiefe innere Zufriedenheit überkam mich. Dann erreichten wir den Gipfel auf 2.802 Metern. Für Steffi der höchste Punkt, den sie je mit dem Rad bezwungen hatte. Stolz klatschten wir uns ab. Ich nahm die Chance natürlich noch wahr und stieg auf den Gipfel, der 60 Meter höher liegt. Da Steffi unten kalt war, musste ich mich beeilen. Trotzdem gönnte ich mir oben 2-3 Minuten und ich versuchte in der Zeit das Rundum Panorama in mein Gedächtnis zu brennen. Ich sah von hier oben sogar die Abfahrt mit den Serpentinen, an denen mich der freundliche Autofahrer das letzte Mal wieder aussteigen ließ nach dem er auf abenteuerliche Weise mich und mein Rad mitgenommen hatte.


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Blick auf die Abfahrt vom Col de la Bonette in Richtung Isola, fotographiert vom Gipfel des Cime de la Bonette
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Blick auf die Passhöhe des Col de la Bonette und den Beginn der Panoramaschleife, fotographiert vom Gipfel des Cime de la Bonette

Wieder unten angekommen schossen wir noch ein paar Bilder, dann ging es an die Abfahrt. Genau wie die Auffahrt zuvor, war diese ein einziger Traum. Ein super Asphalt und schöne weite Kurven waren die Belohnung für die vielen zuvor erklommenen Höhenmeter. Es folgten ein paar Serpentinen ehe wir die Gite communal de Bousieyas erreichten. Hier fand ich vor vier Jahren halb verfroren einen trockenen Platz und einen Ofen und werde den Anblick wohl nie vergessen.


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Blick auf die Serpentinen kurz nach der Passhöhe auf der Abfahrt vom Col de la Bonette in Richtung Isola

Wir machten hier natürlich Pause, gönnten uns ein Panache und die Reste der Pizza des Vortages. Was soll ich sagen, sie schmeckte immer noch hervorragend! Irgendwann setzten wir unsere Fahrt fort. Leider wurde die Abfahrt nach einiger Zeit deutlich flacher und so mussten wir bis Isola doch noch einiges an Kraft aufwenden, um dem Gegenwind zu trotzen. Um kurz nach 14:00 Uhr kamen wir in Isola an. Es war mal wieder brütend heiß. Das kleine Touri-Büro hatte leider geschlossen. Also fragten wir uns gegenüber im Rathaus durch. Wir erfuhren, dass wir in Isola2000 keine Zimmer von hier aus buchen konnten, es seien aber drei Hotels offen. Isola2000 ist ein Wintersportort und liegt auf dem Weg zum Col de la Lombarde. Wie in vielen französischen Retorten-Wintersportorten steppt dort im Sommer nicht gerade der Bär. Darum wäre es uns lieber gewesen, schon ein sicheres Hotel zu haben, bevor wir den Anstieg in Angriff nahmen. Aber jetzt musste es eben so gehen. Am Brunnen hinter dem Hotel machten wir uns noch mal frisch. Ich tunkte mein Funktionsshirt ins Wasser und wickelte es mir um den Kopf. Sah scheiße aus, kühlte aber.


Ich dachte eigentlich der Anstieg würde uns keine großen Probleme bereiten. Aber weit gefehlt. Die ersten drei Kilometer hatten gleich mal 9% im Schnitt. Mein einziger Trost war der Fluss, der uns beständig begleitete. Man müsste zwar eine leichte Böschung hinabsteigen, aber so lange der Fluss unser Begleiter war, würde uns das Wasser wenigstens nicht ausgehen.


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Ein fast ständiger Begleiter auf dem Weg von Isola zum Col de la Lombarde, der Gebirgsbach Vallon de Chastillon

Wir machten sehr viele Pausen, trotzdem raubte uns die Hitze beständig Energie. Aus einem mir nicht mehr ersichtlichen Grund, hatte ich in Isola meine Wasserflaschen nicht komplett gefüllt. So gingen meine Vorräte langsam zu Ende. Auch Steffi litt unter der Hitze und machte schon bald keinen guten Eindruck mehr. Als die Strasse den Fluss querte, fragte ich sie ob wir nicht hinab steigen sollten. Es wäre sicher nicht ganz einfach gewesen, aber letztlich waren es trotzdem nur ein paar Meter zum Fluss Sie lehnte jedoch ab und hoffte wohl auf eine bessere Möglichkeit. Nach knapp 7 km erreichten wir einen Tunnel. Ich habe mich selten so über einen Tunnel gefreut. Für ein paar Minuten wurde es nun endlich kühler. Wir fuhren so langsam es uns möglich war hindurch. Mittlerweile war der Fluss auf unserer linken Seite verschwunden und Wasser damit nicht in Sicht. Zwei Serpentinen und eine lange Gerade später erreichten wir eine weitere Serpentine in der ein Schotterweg wenigstens grob in Richtung Fluss abbog. Steffi witterte die Chance und schaute nach, wohin der Weg ging. Ich gab ihr kaum eine Chance, schließlich konnte ich von hier den Fluss knapp 100 Meter unter uns erkennen. Da würden wir nie hinkommen.


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Der abenteuerliche und nicht ganz ungefährliche Weg zum Fluß während des Anstieges zum Col de la Lombarde

Als sie nach einer Weile nicht zurückkam, fuhr ich ihr hinterher. Sie stand an einem großen Schotterhaufen und machte mir deutlich, ich solle nachkommen. Mit einem imaginären Kopfschütteln folgte ich ihrem Ruf. Als ich dort ankam, war sie schon den Hang hinuntergestiegen. Ich stellte mein Rad ab und folgte ihr erneut. Dabei musste ich höllisch aufpassen. Es ging steil bergab und die meisten der großen Steine die mir als Trittfläche dienten, waren lose. Nicht nur dass ich hier selber ratz fatz stürzen konnte, ich konnte durch herabrutschende Steine auch Steffi verletzen. Nach einer Weile erreichte ich wieder einen Schotterweg und kurz danach tatsächlich den Fluss. Steffi badete bereits darin. Ich musste laut lachen. Sie hatte wirklich wie ein Hund die Witterung aufgenommen und hatte sich durch nichts mehr aufhalten lassen. Das Baden tat unglaublich gut und so dauerte es eine Weile, bis wir wieder den Hang hinauf stiegen und unsere Fahrt fortsetzten.


Kurz danach erreichten wir erneut einen Tunnel und als sich ein Bus von hinten näherte, versuchte Steffi ihn anzuhalten. Ich wäre sicher nicht eingestiegen, konnte aber verstehen, dass Steffi es versuchte. Die Pause hatte uns zwar gut getan, an den Temperaturen hatte sich aber nichts geändert und die tolle Erfrischung war nach wenigen Minuten vergessen. Den Busfahrer interessierte ihr Flehen aber nicht im Geringsten. Wenigstens nahm inzwischen die Steigung ab. Mehr als 7% waren nun selten zu bewältigen.


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Blick zurück während des Anstieges von Isola zum Col de la Lombarde, kurz vor Isola2000

Einen Kilometer später machten wir noch einmal an einem kleinen Picknickplatz halt und erfrischten uns erneut, diesmal völlig problemlos am Fluss. Rückblickend betrachtet, haben wir beim ersten Besuch des Flusses wohl den schlechtesten Platz des ganzen Anstieges gewählt. Aber hinterher ist man immer schlauer. Um 17:15 Uhr erreichten wir schließlich glücklich aber müde nach 80 km, 2.800 hm und einer Fahrtzeit von 5:20 h Isola2000. Dann begann der zweite und nicht geplante Marathon des Tages. Das erste Hotel hatte nur Appartements, so suchten wir das zweite Hotel auf der Liste, das Pas du Loup. Vorher deckten wir uns noch im Supermarkt ein. Ich mache es jetzt mal kurz (ehrlich). Das Gespräch begann mit der Frage, haben Sie noch Zimmer frei. Die Antwort war Ja. Die Gegenfrage war, haben Sie reserviert. Die Antwort natürlich nein. Daraufhin bekamen wir zu hören: Dann kann ich ihnen kein Zimmer geben. Des Rätsels Lösung war, dass es sich um eine Hotelkette handelte mit einer zentralen Buchungshotline. Dort mussten wir erstmal anrufen. Es dauerte zwei nervenaufreibende Telefonate, sinnlose Warterei dazwischen und ein wenig Diskutieren und ungelogen 45 Minuten, bis wir unser Zimmer reserviert und damit sicher hatten.


Dafür war das Hotel dann ein Volltreffer. Leider konnten wir das All inclusive nicht wirklich nutzen, da es ja schon viel zu spät war. Würde ich die Tour noch mal planen und hätte mehr Zeit, würde ich aber ohne zu Zögern hier einen Ruhetag einlegen. Abends gab es ein tolles Buffet und wenn es schon umsonst ist natürlich noch ein Panache auf der Terrasse. Dann ging es schlafen.

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