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Rundtour von Saint Michel de Maurienne über den Bonette und zurück durch das Piemont vom 04.07.15 - 10.07.15

    Tag1 (Col du Telegraph, Col du Galibier)

    Tag2 (Col d'Izoard, Col de Vars)

    Tag3 (Col de la Bonette, Col de la Lombarde)

    Tag4 (Col de la Lombarde, Colle dei Morti)

    Tag5 (Colle di Sampeyre)

    Tag6 (Col d'Agnel)

    Tag7 (Col du Mont Cenis)


4. Tag (Col de la Lombarde, Colle dei Morti)


Zum ersten Mal im Urlaub hatte ich einigermaßen gut geschlafen, was vor allem an den kühlen Temperaturen in meinem Zimmer lag. Trotzdem waren wir bereits um 7:30 Uhr bei einem tollen Frühstück. Es gab sogar kleine Plastikschälchen um sich die Leckereien einzupacken und mitzunehmen. Um kurz nach 9 Uhr ging es los. Zunächst mussten die letzten Kilometer des Col de la Lombarde bezwungen werden. Das Profil sah mal wieder eher harmlos aus. Aber mit Gepäck auf dem Rücken und im Magen und ohne einen einzigen Meter warmfahren, sind auch 7% nicht einfach zu bewältigen. Wieder war es bereits früh am Morgen wolkenlos und heiß. Daher ließen wir schon früher als geplant erste Körner liegen.


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Blick zurück Richtung Skigebiet Isola2000 während des Anstieges zum Col de la Lombarde

Dafür durften wir oben eine herrliche Aussicht genießen und auch die ersten Kilometer der Abfahrt entschädigten für alle Mühen. Für meinen Geschmack einer der geilsten Abfahrten im Alpenraum. Steil genug um es laufen lassen zu können, aber nicht so steil, dass man ständig bremsen muss. Eine schmale Straße, dazu weite Kurven und wenig Serpentinen und zumindest im oberen Bereich ein guter Asphalt. Die Landschaft war im zunächst geprägt von Wiesen und viel Geröll.


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Blick zurück auf den kleinen Bergsee und die Passhöhe des Col de la Lombarde während der Abfahrt nach Demonte

Kurz vor dem Abzweig zum Kloster Sant'Anna durchfuhr man dann plötzlich einen Lärchenwald. Nach dem Abzweig wurde es ein kurzes Stück flacher, ehe man es wieder richtig laufen lassen konnte. Zum Abschluss folgten dann noch mal etliche Serpentinen. Insgesamt eine sehr abwechslungsreiche Abfahrt die andersrum gefahren sicher auch eine Menge Spaß bietet. Die folgenden 10 km auf der SS21 nach Demonte waren dann eher nervig zu fahren. Deutlich flacher und daher nur mit mittreten zu bewältigen und relativ viel Verkehr. In Demonte besuchten wir kurz den Supermarkt und stärkten uns ein wenig. Hier unten im Tal auf unter 1.000 Meter Höhe war es unglaublich heiß. Dann begann dann der Anstieg zum Colle dei Morti.


Der erste Teil des Anstieges hätte eigentlich der leichtere sein sollen. Zumindest lag die Durchschnittssteigung unter 6%. Allerdings war er unglaublich unrhythmisch zu fahren. Stücke mit über 10 % wechselten sich ständig mit flacheren Abschnitten ab. Leider hatte man hier auch kaum eine Aussicht. Wiesen, ein paar Bäume, Kühe und ab und zu ein kleines Dorf, mehr gab es nicht zu sehen. Immerhin war man hier fast alleine unterwegs und hatte keinen störenden Verkehr um sich herum. Zu unserem großen Glück passierten wir auch immer wieder kleine Brunnen. So war die Hitze immerhin einigermaßen zu ertragen. Wir kämpften uns bis San Giacomo und machten auch dort an einem Brunnen eine längere Pause.


Der Plan war danach, die nächsten 5 Kilometer ohne weitere Pause zu überstehen. Die ersten 4 davon sollten nicht zu schwer sein, dann begann das Steilstück über 10 km mit 9% im Schnitt. Den ersten richtig steilen Kilometer wollten wir vor der nächsten Pause noch mitnehmen. Wir mussten aber immer wieder kleinere Pausen im Schatten einlegen. Die Straße war inzwischen noch schmaler geworden und man hatte eher das Gefühl auf einem Wirtschaftsweg und nicht auf einer Passstraße unterwegs zu sein.


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Blick zurück auf die kleine Strasse von Demonte zum Colle dei Morti kurz nach San Giacomo

Nach dem wir die 5 km überwunden hatten, wollte ich eigentlich im Schatten wieder eine längere Pause einlegen. Steffi wollte aber unbedingt an einem Platz mit Wasser pausieren. Also fuhren wir weiter. Es blieb weiter sehr steil und zu unserem Pech gab es immer weniger Schatten und kein Wasser war in Sicht. Ich merkte, dass Steffi langsam an ihre Grenzen stieß. Ich fuhr wie immer ein Stück voraus und beschloss noch um die nächste Kehre zu fahren, in der Hoffnung dann etwas Positives zu erblicken. Aber Pustekuchen. „OK noch um die nächste Kurve“ dachte ich mir. Dann muss ich auf Steffi warten. Ich hatte schon fast ein schlechtes Gewissen, weil ich wusste dass sie am Leiden war. Sicher würde sie mich verfluchen, wenn sie immer um die nächste Kurve fahren würde, und ich immer noch nirgends zu sehen war und auf sie wartete. Doch ich hatte Glück, als ich um die Kurve bog, sah ich in einiger Entfernung ein paar Häuser. Egal ob das ein Restaurant war oder nicht, wir würden dort auf jeden Fall Wasser finden.


Ich legte meinen Rucksack ab und fuhr Steffi entgegen. Als ich sie erreichte, wurden meine Befürchtungen bestätigt. Sie war fix und fertig. Ich nahm ihren Rucksack und motivierte sie mit der Ankündigung, dass wir wohl gleich ein Restaurant erreichen würden. Als wir an der Stelle vorbeikamen, wo mein Rucksack lag, nahm ich auch diesen und legte ihn mir auf den Lenker. Dann bewältigten wir die letzten 500 Meter gemeinsam. Mit zwei Rucksäcken bepackt und bei fast 9% musste auch ich ordentlich kämpfen. Ziemlich kaputt erreichten wir dann schließlich die beiden Häuser. Davor war ein Brunnen und wir erfrischten uns erstmal ordentlich. Eines der Häuser entpuppte sich als das Rifugio Carbonetto. Zu der Zeit war es wirklich unsere Rettung.


Wir tranken zwei Radler, plauderten mit den netten Besitzern und aßen die eingepackten Leckereien vom Frühstück. Wir erfuhren, dass man hier auch übernachten konnte und es wäre durchaus eine Option gewesen. Denn bei weiterhin heißem Wetter hätten wir die nächsten 9 km bis zur Passhöhe evtl. nicht mehr geschafft. Allerdings hatte es während unserer Pause deutlich abgekühlt. Es waren massig Wolken aufgezogen. Auf der einen Seite, war das natürlich prima. Andererseits machte ich mir ein wenig Sorgen. Die Abfahrt vom Morti war in katastrophalem Zustand und auch bei gutem Wetter schon schwer zu fahren. Es wäre echt die Krönung, wenn wir nach 5 Tagen strahlend blauen Himmels gerade auf dieser Abfahrt Regen bekommen würden. Aber zunächst mal waren wir einfach froh, dass es endlich mal kühler war und wir setzten unsere Fahrt fort. Es war unglaublich wie sehr sich das Wetter auf unseren Zustand auswirkte. Obwohl es noch immer mit 9% der Passhöhe entgegenging, fühlten wir uns frischer denn je. Die Landschaft wurde nun deutlich alpiner. Ähnlich wie am Lombarde bestimmten Wiesen und Geröll das Panorama.


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Blick zurück auf die Kehren, welche den Schlussteil des Anstieges von Demonte zum Colle dei Morti einleiten

Plötzlich querten zwei Murmeltiere direkt vor uns die Strasse und blieben auch noch stehen. Ein schönes Fotomotiv mehr. Schon bald sahen wir die vermeintliche Passhöhe. Ich sah außerdem einen Wanderweg der von der Passhöhe nach rechts den Hang querte. Man muss das cool sein, dort zu wandern dachte ich mir. Erst als wir noch näher kamen, sah ich, dass die vermeintliche Passhöhe lediglich die Passhöhe des Colle Valcavera war und der vermeintliche Wanderweg unsere Weiterfahrt zum Colle dei Morti darstellte.


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Blick zur Passhöhe des Colle dei Morti und das schmale Asphaltband, welches den Hang quert

Von der Passhöhe des Valcavera zweigte eine Straße nach links ab, die aber schon bald in Schotter überging. Trotzdem riskierte ich natürlich einen Blick und speicherte den Weg sofort als „muss ich mal mit dem Crossbike machen“ ab. Wir setzten unsere Fahrt also auf der abenteuerlichen Strasse quer durch den Felshang fort und erreichten kurze Zeit später den Colle dei Morti mit dem Denkmal von Marco Pantani. Die Aussicht hier oben war aber fast ein wenig enttäuschend, auf den letzten Kilometern vor der Passhöhe ist jedenfalls aus meiner Sicht mehr zu sehen. Ich ließ die Gelegenheit trotzdem nicht aus und bestieg auch hier kurz den kleinen Hügel über der Passhöhe.


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Blick auf die Passhöhe des Colle dei Morti mit dem Denkmal von Marco Pantani

Die Abfahrt war dann genau so bescheiden wir im Netz beschrieben. Unglaublich holprig, teilweise ganz aufgerissen. Das übrig gebliebene Aspahltband ist stellenweise nur gut einen Meter breit, was die Sache nicht einfacher macht. Wir waren nur am Bremsen und mussten etliche Pausen einlegen. Zum einen weil die Hände schmerzten, zum anderen aber auch um die heiß gebremsten Felgen etwas runterzukühlen. Gott sei Dank hatte das Wetter gehalten, denn mittlerweile schien wieder überwiegend die Sonne.


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Schönes Panorama aber leider katastrophaler Strassenbelag. Die schmale Strasse vom Colle dei Morti nach Marmora

Als wir endlich die ersten Häuser im Marmora erreichten, schauten wir uns nach einer geeigneten Unterkunft um. Viele Möglichkeiten hatte man nicht. Ich hatte mir vorher 3-4 notiert, welche auf der Abfahrt lagen. Das erste fanden wir nicht gleich. Das zweite, die Pensione Ceaglio war dann nicht zu übersehen. Wie ein kleines eigenes Dorf verteilen sich die knapp 30 Zimmer auf etliche restaurierte Bauernhäuser die rund um den ehemaligen Dorfbrunnen angelegt sind. Hier fühlten wir uns sofort wohl. Also war unsere Tour nach 80 km, 2.100 hm und einer reinen Fahrtzeit von 5:14h um ca. 17:00 Uhr beendet.


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Das schmucke Hoteldarf Pensione Ceaglio auf der Abfahrt vom Colle dei Morti nach Marmora

Zwar mussten wir fast 100 Euro pro Zimmer bezahlen, das war uns aber egal. Zumindest mein Zimmer war es das auch wert, handelte es sich doch um eine kleine Ferienwohnung mit einem wunderbaren Gewölbeschlafzimmer. Aber auch Steffi war spätestens nach dem unglaublichen 7 Gänge-Menü Abendessen restlos überzeugt. Wohl ernährt und rund um zufrieden, legten wir uns schließlich schlafen.

Übersicht


5. Tag (Colle di Sampeyre)


Ich hatte wie immer eher schlecht geschlafen und schon beim Aufstehen merkte ich, dass irgendwas nicht stimmte. Mir war ein wenig schlecht und beim Frühstück musste ich nach einer halben Schüssel Müsli die Segel streichen. Das konnte ja heiter werden heute. Abgesehen davon, war das Frühstücksbuffet aber auch nicht ganz so üppig. Das 7-Gang Menü vom Vortag konnte aber natürlich auch nur schwer getoppt werden. Wir saßen um 8:35 Uhr auf den Rädern und fuhren zunächst noch mal 5 km bergab ins Maira-Tal. Zu dieser Zeit war es noch recht frisch. Aber nach den letzten heißen Tagen würde ich mich hüten, darüber zu schimpfen. Danach folgte eine kurze Flachpassage, ehe der Anstieg durch die Elva-Schlucht zum Colle di Sampeyre begann. Da es kurz zuvor Felsstürze gegeben hatte, war die Strasse für den Kfz-Verkehr noch gesperrt. Ich denke aber auch sonst wären wir hier nicht wirklich vielen Autos begegnet.

Die Strasse folgte auf den ersten 6 km kurvenarm der Schlucht. Glücklicherweise fuhren wir durch die hohen Wände geschützt fast ausschließlich im Schatten. Warm wurde uns bei Steigungen von fast dauerhaft 8-10% trotzdem. Obwohl mir die deutlich niedrigeren Temperaturen eigentlich hätten entgegenkommen müssen, merkte ich bereits auf den ersten Metern, dass ich heute nicht fähig war Leistung abzurufen. Nachdem ich die Tage zuvor immer voraus gefahren war, hielt ich mich jetzt meist bei Steffi auf. Mir wurde schnell klar, dass es ein harter Tag werden würde. Immerhin lenkte die atemberaubende Strasse ein wenig von meinem Leiden ab. Spektakulär ist sie in den Hang geschlagen, unterbrochen immer wieder von kurzen Felstunneln.


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Die spektakuläre Strasse durch die Elva-Schlucht auf der Südanfahrt zum Colle di Sampeyre

In der Folge musste ich Steffi immer öfters ziehen lassen und brauchte trotzdem selber kurze Pausen. Mein ganzer Körper begann allmählich zu schmerzen. Nicht nur die Beine, die zwar wenig Leistung abgaben, aber immerhin konstant vor sich hin pedalierten. Auch die Arme, die mich lediglich auf dem Lenker stützten, taten mir mit der Zeit weh. Immer öfters fuhr ich in den steilen Passagen jetzt Schlangenlinien. Über zwei Serpentinen verließen wir schließlich die Schlucht und erreichten 2 km später um 11:45 Uhr endlich Elva. Ich war mittlerweile völlig fertig und wollte eigentlich nur noch schlafen. Dementsprechend legte ich mich vor der alten Kirche ins Gras und versuchte tatsächlich zu dösen. Irgendwann mussten wir aber weiter. Also schleppte ich mich aufs Rad und wir setzten die Fahrt fort.


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Die alte Kirche in Elva. Für mich eine willkommene Liegewiese auf dem beschwerlichen Weg zum Colle di Sampeyre

So schön die Pause auch war, an meinem Zustand hatte sie nichts geändert. Ich fühlte mich jetzt schon schlechter wie gegen Ende des Alpenbrevets, als ich 150 km mit Krämpfen gefahren war. So langsam machte ich mir auch ein wenig Sorgen. Was auch immer es war, gesund war ich definitiv nicht. Mein Körper signalisierte mir das auch eindeutig und wehrte sich mit jeder Faser gegen weitere Belastungen. Vielleicht, so dachte ich mir, wäre es klüger, dem endlich nachzugeben. Die Steigung ließ auch in diesem Teil nicht nach und so quälte ich mich bei immer geringeren Geschwindigkeiten nach oben. Gut 3 km später erreichten wir den Abzweig nach Stroppo. Wieder machte ich eine kurze Pause und wieder hätte ich am liebsten meinen Kopf auf die Lenkertasche gelegt und geschlafen. Steffi fragte mich immer wieder, ob alles ok sei, und dass ich ihr aber bitteschön sagen sollte, bevor ich vom Rad fallen würde. Aber was sollten wir auch machen. Umkehren war keine echte Alternative mehr. Wir mussten jetzt eben irgendwie über den Sampeyre kommen. Dass wir heute nicht noch den Col d’Agnel angehen würden, war mir längst klar.


Wir setzten unsere Fahrt langsam fort und einen knappen Kilometer später hielt ich kurz an, um mir mein trockenes Funktionsshirt anzuziehen. Aber ich stieg nicht wieder auf. In 9 Jahren Pässeradeln mit über 70 gefahrenen Alpenpässen hatte ich bereits den ein oder anderen heftigen Wirkungstreffer kassiert. Aber ich war immer stehen geblieben. Nun war es so weit. Um in der Boxersprache zu bleiben, 3 km vor dem Gipfel ging ich erstmals in meiner Karriere zu Boden. Ich konnte und wollte einfach nicht mehr weiterfahren. Also beschloss ich zu laufen. Während ich bei vergangenen Schwächephasen der letzten Jahre oft den Pass verflucht hatte und ihm selbstbewusst entgegen brüllte, dass er mich nicht klein kriegen würden, blieb ich diesmal stumm. Dieser Pass hatte mich kleingekriegt, auch wenn er dabei tatkräftig von einer Krankheit unterstützt wurde. Bei bisher knapp 6 km/h auf dem Rad, würde ich aber auch zu Fuß nicht viel langsamer sein. immer wieder sagte ich mir, wenn es etwas flacher wird, fahre ich noch ein Stück. Aber ich lief fast einen Kilometer, ehe ich mich traute, wieder in die Pedale zu treten.


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Ausblick auf den letzten Kilometern am Colle di Sampeyre. Eigentlich eine tolle Landschaft, für mich ein einziger Kampf

Immerhin schaffte ich die letzten zwei Kilometer dann ohne weitere Pause. Heftiger Gegenwind begrüßte uns dann auf den letzten Metern. Total ausgelaugt kam ich um 12:10 Uhr endlich oben an. Ich war zwar zu Boden gegangen, aber immerhin wieder aufgestanden. Ich setzte mich ins Gras, aß eine Banane und war nur noch froh es bis hierher geschafft zu haben. Dann stürzten wir uns in die Abfahrt. Diese war ähnlich schlecht zu fahren, wie tags zuvor die Abfahrt am Colle dei Morti. Zwar waren nur wenige Serpentinen zu bewältigen, aber die Strasse war steil und allgemein in einem sehr schlechten Zustand. Da sie auch teilweise durch den Wald verlief, erschwerte der ständige Licht-Schatten-Wechsel das Erkennen der Schlaglöcher. Immer wenn man dachte, der Straßenbelag würde besser werden, folgte das nächste schlechte Teilstück. Mehrmals mussten wir unterwegs anhalten, um unsere Hände ein wenig zu lockern. Schließlich erreichten wir aber um 13:10 Uhr nach 38 km, 1.370 hm und einer Fahrtzeit von 3:20h Sampeyre.


Da ich wirklich nicht mehr fähig war, weiterzufahren, suchten wir uns dort ein Hotel. Ich duschte kurz, nahm eine Ibuprofen und legte mich sofort ins Bett. Den Rest des Tages verbrachte ich mit Schlafen, einem kurzen aber für mich schon anstrengenden Besuch im Supermarkt und nochmaligem Schlafen. Später wusch ich meine Klamotten. Vielleicht würde ja noch ein Wunder geschehen und ich konnte morgen wieder aufs Rad. Ich wollte zumindest vorbereitet sein. Da ich daran aber nicht glaubte, gingen wir abends noch unsere weiteren Optionen durch. Sampeyre lag quasi im Niemandsland, daher waren unsere Alternativen dünn gesät. Um nach Norden zu kommen, mussten wir irgendwie über den Col d’Agnel. Ein Bus fuhr nicht, der nächste Bahnhof meilenweit entfernt, würde also nur das Taxi bleiben. Zum Abendessen hätte es ein 4 Gänge-Menü gegeben. Da mir aber nicht nach Essen zumute war, bestellte ich den ersten und letzten Gang gleich mal ab. Und auch die anderen beiden Gänge schafften es nicht komplett in meinen Magen.


Früh ging ich dann ins Bett. Ich war mir mittlerweile sicher, dass ich Fieber hatte. Und auch mein Ruhepuls machte mir Sorgen, lag er doch bei fast 80 und somit 25 Schläge höher als normal. In der Nacht machte ich mir daher jede Stunde kalte Wadenwickel. Das alte Hausmittel war mir im Gedächtnis geblieben. Dies sollte sich auch auszahlen.

Übersicht


6. Tag (Col d'Agnel)


Ich fühlte mich morgens schon deutlich besser, wenn auch noch weit von fit entfernt. Aber ich hatte mir am Vortag geschworen, den Agnel nicht zu fahren. Einmal im Leben wollte ich auf dem Rad die Vernunft walten lassen und nicht auf Teufel komm raus meinem Plan folgen. So frühstückte ich morgens noch mit Steffi, die sich dann mit dem Rad auf den Weg machte, während ich mir schweren Herzens ein Taxi für 80 Euro zum Agnel bestellte. Ein Einkauf im Supermarkt und ein Nickerchen später, war es dann soweit. Ich „bezwang“ meinen ersten Alpenpass im Auto. Es tat mir in der Seele weh. Denn speziell im oberen Teil war auch aus dem Auto heraus zu erahnen, dass der Col d’Agnel ein äußerst lohnenswertes Ziel darstellt.


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Der schöne Blick auf den Lago die Castello während des Anstieges zum Col d'Agnel. Für mich leider nur aus dem Taxi heraus zu bestaunen

Etwa 4 km vor dem Gipfel passierten wir Steffi und nahmen ihr den Rucksack ab. Als ich oben ankam und samt Rad aus dem Taxi stieg, schämte ich mich fast ein wenig. Es muss von außen schon skurril ausgesehen haben, jemanden mit einem fetten Quaeldich.de Slogan auf dem Trikot aus einem Taxi steigen zu sehen. "Aber was soll’s", dachte ich mir. "Ich habe mich gestern mehr gequält als ihr alle zusammen". Oben schoss ich ein paar Fotos und feuerte anschließend Steffi auf den letzten Metern an.


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Blick zurück auf die letzten steilen Kilometer am Col d'Agnel

Nachdem ich auch ihr die verdiente Ruhepause gewährt hatte, machten wir uns um 12:30 Uhr gemeinsam auf die Abfahrt. Diese war dann ganz nach meinem Geschmack. Wenig Serpentinen, dafür viele weite Kurven und ein guter Straßenbelag, garniert mit einigen netten kleinen Dörfern. In den wenigen flacheren Passagen, in denen ich mittreten musste, merkte ich auch schnell, dass ich wirklich deutlich fitter war, als tags zuvor. Mit dem Spaß war es dann ab Ville Vieille leider vorbei. Ab hier flacht die Strasse deutlich ab und wie immer um diese Zeit, pfiff der Wind ordentlich das Tal nach oben. Aber diesmal hatten wir Glück, denn vom Abzweig des Col d’Izoard kam kurz vor uns eine dreiköpfige Rennradgruppe. Steffi erkannte die Chance sofort und schloss die Lücke. Fortan durften wir in deren Windschatten bis nach Guillestre rollen. Ich hatte ja schon ein wenig ein schlechtes Gewissen, mich nicht an der Führungsarbeit zu beteiligen. Aber nach dem gestrigen Tag, konnte ich es mir nun wirklich nicht leisten, heute schon wieder den Puls hoch zu treiben.


In Guillestre angekommen ging es weiter nach Mont Dauphin. Ab hier wollten wir den Zug nach Briancon nehmen und uns ein weiteres Flachstück mit eventuellem Gegenwind ersparen. Leider hätten wir dort 2 Stunden warten müssen. Also entschlossen wir uns schweren Herzens, die gut 30 km mit dem Rad zurückzulegen. Ich kannte die Strecke nicht, wusste aber dass Briancon auf ca. 1.300 m Höhe liegt und damit ein wenig höher als Guillestre. Insgesamt stellte ich es mir aber relativ flach vor. Die ersten knapp 15 km waren dann überraschend gut zu fahren. Ordentlicher Rückenwind trieb uns rasch voran. Ich war mir sicher, was wohl gar nicht stimmte, dass wir hier ständig bergab fuhren. Irgendwann würden wir also sicher die ganzen Höhenmeter wieder wettmachen müssen. Ab L’Argentiere-la-Bessee ging es dann los. Über zwei lange Serpentinen mussten wir fast 300 hm bewältigen. Ich stellte erfreut fest, dass es mir von Kilometer zu Kilometer besser ging. Steffi musste hier aufgrund der Hitze und der Voranstrengung vom Agnel aber an ihre Grenzen gehen. Leider war zunächst kein Wasser in Sicht. Kurz danach erblickten wir in Queyrieres aber endlich einen Brunnen. Wir machten eine längere Pause und erfrischten uns ausgiebig. So waren dann auch die letzten 10 km bis Briancon gut zu bewältigen. Um kurz nach 16:00 Uhr erreichten wir schließlich unser Etappenziel. Für mich standen immerhin 75 km und 700 hm auf dem Tacho. Steffi konnte 30 km und stolze 1800 hm mehr für sich verbuchen.


Endlich hatten wir dann auch mal Glück. Wir fanden in Briancon rasch das Touristen-Büro und erfuhren, dass über den Col de Montgenevre in wenigen Minuten ein Bus fahren würde. Also schnell noch mal aufs Rad und ab zum Bahnhof. Dort fuhr dann auch um 16:35 Uhr ein Bus, der nicht nur uns, sondern auch unsere Räder mitnahm. So bewältigte ich also auch den zweiten Pass des Tages in einem motorisierten Fahrzeug. Darüber war ich aber im Gegensatz zum Agnel überhaupt nicht traurig. Wie im Vorfeld schon vermutet, ist der Pass sehr stark befahren und sah zumindest vom Bus aus auch wesentlich steiler aus, als es das Profil erahnen ließ. Hier mit dem Rad hochzufahren, hätte sicher keinen Spaß gemacht. Um 17:30 Uhr kamen wir dann endlich in Oulx an. Steffi hatte während der Busfahrt ihren Freund gebeten, uns dort ein schönes Hotel zu suchen und zwei Zimmer zu reservieren. Und so landeten wir kurze Zeit später im Hotel Oberje Dla Viere. Wir duschten rasch, gingen noch kurz beim Supermarkt vorbei und aßen leckere Pizza im Lo Zodiaco. Danach ging es auf die Zimmer und früh schlafen.

Übersicht


7. Tag (Col du Mont Cenis)


Zum zweiten Mal in unserem Urlaub schlief ich einigermaßen gut. Es war zum einen recht kühl und auch mein Bett war wohl eins der besseren Sorte. Trotzdem waren wir recht pünktlich beim Frühstück. Dies war leider nicht ganz so gut wie das Bett. Trotzdem starteten wir um 8:45 Uhr wohl ernährt zu unserer letzten Etappe. Zunächst ging es auf einer gut befahrenen Strasse ca. 25 km nach Susa. Da es mehrheitlich bergab ging und wir eher Rückenwind hatten, kamen wir aber rasch voran. Zum ersten Mal in unserem Urlaub begrüßte uns morgens kein strahlender Sonnenschein. In Susa angekommen, machten wir uns sogar Sorgen, ob wir wirklich trocken durchkommen sollten. Aber es gab ohnehin kaum Alternativen. Der Col de Mont Cenis musste heute bezwungen werden. Nach einem kurzen Stück durch Susa durch, begann dann der 30 km lange Anstieg.


Der Verkehr ließ rasch nach, dafür war der Anstieg anfangs eher unspektakulär zu fahren. Über einige zum Teil steile Serpentinen gewannen wir rasch an Höhe. Obwohl es stark bewölkt war und die Temperaturen erstmals deutlich unter 30° waren, floss hier der Schweiß in Strömen. Aber nach den Hitzeschlachten der letzten Tage, kam mir dieses Wetter doch sehr gelegen. Daher legte ich auch ein gutes Tempo vor und musste mich immer wieder selbst bremsen. Zum einen war das eben gerade nicht Steffis Wetter und sie kam bei den eher kühlen Temperaturen nur schwer in Gang. Zum anderen wollte ich meinen Puls nach den Problemen der letzten beiden Tage nicht unnötig in die Höhe treiben. Von einigen hübschen Ausblicken ins Susatal abgesehen, mussten wir auf schöne Aussichten zunächst verzichten. Der Anstieg war eigentlich ganz gut zu fahren, zwar gab es immer wieder längere steile Rampen mit teilweise über 10%. Aber es gab auch immer wieder Stücke mit unter 5% in denen man sich einigermaßen ausruhen konnte. Daher kamen wir auch gut voran. Erst in Bar Cenisio machten wir eine kurze Pause. Drei Kilometer später überquerten wir mal wieder die Landesgrenzen und befanden uns nun wieder in Frankreich. Direkt änderte sich auch die Charakteristik des Passes.


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Blick auf die Serpentinen kurz vor der Staumauer des Lac du Mont Cenis

Unser Blick viel nun auf mehrere Serpentinen, welche eine Steilwand zum vermeintlichen Stausee überwanden. Steffi war begeistert von dem Ausblick. Rasch wurde die Steilstufe überwunden, aber anstatt oben zur Belohnung den See zu erblicken, starrten wir lediglich auf die große Staumauer des Lac de Mont Cenis.


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Blick zurück auf die Serpentinen kurz vor dem Stausee am Col du Mont Cenis

Wir mussten daher erst noch mal eine Viertelstunde arbeiten, ehe uns der erste Blick auf den riesigen See vergönnt wurde. Leider war das Wetter immer noch sehr bewölkt. Daher konnte man nur erahnen, welch fantastischen Ausblick man hier bei gutem Wetter genießen konnte. Die Fotostopps nahmen trotzdem kontinuierlich zu. Wir überquerten hier bereits die 2.000 Meter Marke, trotzdem ging es in leichtem auf und ab noch für 6 km am See entlang. Es war schon fast ein wenig seltsam in dieser Höhe so lange an einem See entlang zu fahren. Bei schönem Wetter kommt man hier vor lauter Staunen wahrscheinlich gar nicht mehr zum Fahren.


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Der erste Blick auf den riesigen Stausee vor der Passhöhe des Col du Mont Cenis. Leider bei nicht mehr ganz so gutem Wetter.

Als wir fast das Ende erreicht hatten, machten wir in einem Restaurant noch mal eine kleine Pause. Wir konnten beide nicht widerstehen und gönnten uns zur Belohnung für unsere letzten Höhenmeter einen sauleckeren Hotdog. Einen Kilometer später erreichten wir dann die offizielle Passhöhe. Es war noch immer sehr bewölkt, aber am Horizont konnte man bereits kleine Flecken blauen Himmels erahnen. Was dann aber kam, habe ich auch nach 9 Jahren Pässe fahren noch selten erlebt. Wir fuhren 100 Meter weiter über den Kulminationspunkt und hatten plötzlich strahlend blauen Himmel vor uns. Und kaum stürzten wir uns in die Abfahrt nach Lanslebourg, wurde das Panorama auch noch durch schneebedeckte Berge versüßt. Die Abfahrt war dann einfach nur traumhaft. Man konnte es so richtig schön laufen lassen. Und damit die eigentlich tolle Aussicht nicht langweilig wurde, gab es nach etwa jedem Kilometer eine Serpentine und man durfte das gegenüberliegende Panorama genießen.


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Blick auf den Dent Parrachee des Vanoise Massives während der Abfahrt vom Col du Mont Cenis nach Lanslebourg.

Eigentlich viel zu schnell erreichten wir dann Lanslebourg. Da wir ja noch mindestens 6 Stunden Autofahrt vor uns hatten, sah unser Plan vor, ab hier möglichst schnell zurück Richtung Saint Michel de Maurienne zu kommen. Also fragten wir im Tourismus Büro nach dem Bus Richtung Modane. Den hatten wir mal wieder knapp verpasst. Anschließend wollten wir wissen wann der Zug von Modane nach Saint Michel de Maurienne fahren würde. Um 16:04 und 17:04 Uhr sagte uns die nette Dame. Es war zu der Zeit 14:25 Uhr und bis Modane waren es ca. 25 km mehrheitlich bergab. "Wenn der Zug stündlich fährt, muss doch auch einer um 15:04 Uhr fahren", dachte ich mir. Dies wurde uns mit einem Lächeln auch bestätigt. Aber mit dem Velo, würden wir das in der Zeit nicht schaffen, wurde uns mitgeteilt. Ok, dachte ich mir. Herausforderung angenommen.


Wir stürzten aus dem Büro, sprangen auf unsere Räder und versuchten das Unmögliche. Dazu muss man sagen, dass 25 km bergab in 40 Minuten eigentlich kein Problem sein sollten. Allerdings gab es zwei kurze Gegenanstiege und viel schlimmer, auf der Strecke pfeift nachmittags der Wind gnadenlos das Tal hoch. Die ersten paar Kilometer kamen wir noch gut voran, und ich hatte tatsächlich die leise Hoffnung, dass wir es schaffen würden. Der erste kurze Gegenanstieg bremste uns dann erstmal ordentlich ein. Danach wurde der Gegenwind immer heftiger. Ich versuchte alles, schaffte es aber teilweise nicht einmal, die Geschwindigkeit über 30 km/h zu halten. Ab und zu verlor ich Steffi aus meinem Windschatten und musste sogar noch etwas rausnehmen. Irgendwann wurde uns beiden klar, dass es keinen Sinn machte. So fuhren wir den Rest der Strecke eher im Sparmodus. In Modane angekommen brauchten wir eine Weile, bis wir den Bahnhof fanden. Für den heutigen Tag standen 90 km, 1.900 hm und eine reine Fahrtzeit von 4:38 auf dem Tacho. Es folgte ein kurzer Besuch im Supermarkt und so mussten wir letztlich gar nicht so lange warten, bis uns der Zug um 16:04 nach Saint Michel de Maurienne brachte.


Von dort ging es die bereits bekannte Strecke nach Saint-Martin-de-la-Porte. Dort gab es dann noch einmal eine böse Überraschung. Wir fuhren die Hauptstrasse entlang und suchten den Abzweig zu unserem Parkplatz, fanden diesen aber nicht sofort. Den Grund sahen wir kurze Zeit später. Die Strasse gab es gar nicht mehr. Sie und der gesamte angrenzende Platz war aufgerissen worden und bestand nur noch aus Schotter. Ich befürchtete bereits, dass mein Auto abgeschleppt worden war. Aber ähnlich wie ein kleines gallisches Dorf im Römischen Reich, hatte wohl auch mein Auto Widerstand geleistet. Denn die acht Quadratmeter auf denen mein Auto stand, waren unversehrt und mein Auto stand, allerdings eingestaubt bis unter die Dachkante immer noch auf seinem Platz. Unser Urlaub war vorbei.


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Mein Auto hatte seinen Platz behauptet. Der aufgerissene Parkplatz in Saint-Martin-de-la-Porte

Fazit:


Es war sicher einer der ereignisreichsten Urlaube bisher. Ich habe dabei gelernt, dass man auch bei gutem Wetter an seine Grenzen stoßen kann. Wir waren uns hinterher beide einig, dass wir bei diesen Temperaturen nachmittags eigentlich nicht hätten Rad fahren dürfen und nach dem jeweils ersten Pass die jeweilige Tour hätten beenden sollen. Leider waren wir beide aber zeitlich sehr eingeschränkt und konnten nicht einfach den Urlaub um ein paar Tage verlängern.

Trotzdem hatten wir viele tolle Momente. Mein Highlight war natürlich der Bonette. Nicht nur weil er einfach schön zu fahren ist und mit einem super Panorama aufwarten kann, sondern eben auch weil viele Erinnerungen zurückkamen und ich meine Rechnung begleichen konnte. Aber auch das Piemont wusste, abgesehen von den teilweise schlechten Abfahrten durchaus zu Gefallen. Die Einsamkeit kann einem zwar auf der Suche nach Unterkünften Probleme bereiten. Pässe zu Radeln und minutenlang keine anderen Verkehrsteilnehmer zu sehen, macht dafür umso mehr Spaß. Und sollte ich nächstes Jahr die Zeit finden, wieder in den Urlaub zu gehen, stehen der Colle di Sampeyre und der Col d’Agnel ganz oben auf meiner Liste. Denn ich habe zwar eine Rechnung beglichen, aber zwei neue offen gelassen.

Mit dem Gepäck kamen wir beide ausnahmslos gut zurecht. Und trotz des wenigen Trainings, hätten wir die Tour bei normalem Wetter wohl auch problemlos überstanden. Mit der Streckenplanung war ich daher auch zufrieden. Last but not least haben wir uns auch beider wieder sehr gut verstanden und sind uns trotz der Strapazen nie auf die Nerven gegangen.