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1. Teilnahme Highlander Radmarathon (180 km, 4000 hm) 11.08.13


Aus der Sicht des Radsportlers gesehen, war mein bisheriges Jahr sehr dürftig verlaufen. Mein Job fraß mehr Ressourcen als mir lieb war und so hatte ich bis Ende Juli so wenig Kilometer in den Beinen wie noch nie. Außerdem war ich auch bei keinem einzigen Event gestartet. Selbst das heimische Bergrennen in Spaichingen hatte ich ausfallen lassen. Ein ganzes Jahr ohne Wettkampf, sollte es dann aber auch nicht sein. Der ursprüngliche Plan sah auch dieses Jahr den Ötztaler Radmarathon vor. Hier hatte ich aber mal wieder kein Losglück. Für die Alternative Alpenbrevet spielte der Kopf nicht mit. Die lange Anreise, die lange Strecke und das alles nur, damit ich im besten Fall ein paar Minuten schneller war. Nein, darauf hatte ich dieses Jahr keinen Bock. Als Steffi mir dann berichtete, dass sie dieses Jahr den Highlander fuhr, war die Entscheidung schnell gefallen. Ich war an dem Wochenende ohnehin in Spaichingen, hatte also nur noch die halbe Anreise. Das Rennen ist kurz genug, um am selben Tag noch zurückzureisen, aber auch schwer genug, um eine solch lange Anreise überhaupt anzutreten. Leider war es nicht so einfach, so kurzfristig ein Zimmer zu bekommen. Ich hatte daher schon beschlossen, dass ich im Auto oder daneben schlafen würde. Aber für was hat man Trauzeugen. Patrick, mit dem ich vor Jahren meine ersten Alpenpässe geradelt war, bot mir eine Übernachtungsmöglichkeit in Ravensburg an. Von dort war es nur noch ein Stunde bis Hohenems. Das sollte morgens noch machbar sein. Und so kam es, dass mein Wecker am Sonntag morgen um 4:30 Uhr in Ravensburg klingelte. Ich packte in Ruhe meine Sachen zusammen, frühstückte, warf noch mal ein Blick in die Profile der einzelnen Anstiege und fuhr nach Hohenems. Um kurz nach 6 Uhr traf ich dort bereits ein, fand schnell einen Parkplatz und konnte so völlig stressfrei meine Startunterlagen abholen. Eine knappe halbe Stunde vor dem Start um 7 Uhr stand ich dann bereits in einer langen Schlange von Radsportlern


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Gut Tausend Radsportler warten auf den Start beim Highlander Radmarathon

Um kurz vor sieben gab es noch die Segnung des örtlichen Pfarrers, dann folgte der Startschuss. Es ging zunächst noch neutralisiert einige Meter leicht bergab durch Hohenems. Danach folgte ein längeres Flachstück von 7 km bis zum ersten Anstieg. Hier wurde bereits ordentlich Tempo gemacht und teilweise erreichten wir Geschwindigkeiten von jenseits der 40 km/h. In Dornbirn begann der Marathon dann so richtig. Über einige Kehren wurden bei Steigungen von teilweise über 10% die ersten Höhenmeter bezwungen. Nach 2 Kilometer folgte noch ein kurzes flacheres Stück, danach war für die restlichen fünf Kilometer mächtig drücken angesagt. Mein Puls pendelte ständig um die 150 und ich war mehrheitlich am überholen. Mein Plan sah vor, das Bödele recht zügig zu bezwingen um das anschließende Flachstück bzw. den folgenden Hochtannbergpass möglichst weit vorne im Feld anzugehen. So erhoffte ich mir eine gute Gruppe zu erwischen.


Aber zunächst musste der erste Anstieg zu Ende gebracht werden. Ich fühlte mich gut und hielt trotz der hohen Steigung von 9% eine hohe Geschwindigkeit. Wann immer sich vor mir eine Lücke auftat, schloss ich sie umgehend. Ich wollte auf keinen Fall den entscheidenden Zug verpassen. Nach 50 Minuten erreichte ich die Passhöhe. Es folgte eine schnelle Abfahrt auf gutem Asphalt, in der nur am Ende einige Kurven die Fahrt bremste. Dann folgte das leicht ansteigende Stück zum Hochtannbergpass. Meine ständige Aufmerksamkeit hatte sich jetzt bezahlt gemacht. Ich befand mich in einer großen Gruppe von ca. 25 Fahrern die ordentlich Gas gab. So hatte ich mir das vorgestellt. Mein Puls war allerdings trotz Windschattens kaum niedriger als am Anstieg zuvor. Einer nach dem anderen strampelte vorne im Wind und ließ sich danach zurückfallen. Dann war ich an der Reihe. Vor uns fuhr eine weitere große Gruppe der wir bereits deutlich näher gekommen waren. Ich durfte nun also die Lücke schließen. Für zwei Minuten stieg der Puls noch einmal deutlich an. Dann war der Zusammenschluss geschafft.


Ich konnte jetzt erstmal ein wenig durchschnaufen und es dauerte ein wenig, bis sich die beiden Gruppen neu sortiert hatten. Vielleicht war dies auch der Grund, warum es plötzlich knallte. Etwa 30 Meter vor mir sah ich einen Fahrer stürzen, zwei weitere konnten nicht mehr rechtzeitig ausweichen und stürzten, einer von ihnen kopfüber auf den Asphalt. Der Großteil der Gruppe hatte davon wahrscheinlich nicht mal etwas mitbekommen und setzte die Fahrt fort. Ich konnte aber nicht einfach weiterfahren, wohl wissend, dass ich ohnehin nicht großartig helfen konnte. Ich erkundigte mich bei einem der Fahrer, ob alles ok sei. Er hatte sich wohl an der Schulter verletzt, war aber ansonsten in Ordnung. Auch die beiden anderen schienen sich nicht schwerer verletzt zu haben. Hinter uns hatte bereits ein Auto gehalten und der Notarzt wurde verständigt. Ich hatte jetzt zumindest kein schlechtes Gefühl mehr, die Gestürzten alleine zu lassen und setzte meine Fahrt fort. Mit mir tat dies auch ein zweiter Radsportler. Er machte anfangs noch Tempo und versuchte, die enteilte Gruppe wieder einzuholen. Das Unterfangen war meiner Meinung nach zum Scheitern verurteilt. Ich hatte im Windschatten schon Mühe gehabt, dem Tempo zu folgen. Zu zweit eine Lücke zu einer Gruppe zu schließen, die vorne mächtig Gas gab, war sinnlos.


Ich wollte ihm das gerade mitteilen, da überholte uns ein Mopedfahrer und meinte, wir sollten uns in den Windschatten hängen, er würde uns wieder an die Gruppe ranführen. Gesagt, getan. Er schaute sich anfangs immer wieder um, bis er ein Gefühl dafür hatte, welches Tempo er anschlagen konnte. So machten wir Meter um Meter gut. Allerdings bewegte sich mein Puls jetzt Richtung 160 und wir waren beide mächtig am Pumpen. Irgendwie war es aber auch ein tolles Gefühl. Man fühlte sich fast wie ein Profi bei der Tour. Auch wenn es offiziell verboten ist, werden auch dort gestürzte Fahrer des Öfteren vom eigenen Mannschaftswagen wieder an das Peloton geführt. Als wir die Gruppe nach gut fünf Minuten wieder erreicht hatten, bedankten wir uns beide überschwänglich bei unserem Helden. Ich konnte jetzt erstmal wieder etwas durchschnaufen.


Kurze Zeit später folgte der erste steilere Abschnitt des Hochtannbergpasses. Es waren jedoch nur drei Kilometer, die auch noch flüssig zu fahren waren, ehe es wieder für ein kurzes Stück flacher wurde. Dann folgte der steile Schlussteil. Über fünf Kilometer mussten 8,5 % Durchschnittsteigung überwunden werden. Ich versuchte hier möglichst flüssig zu treten und den Puls unter 150 zu halten. Trotz allem kam ich gut voran.


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Eine der Serpentinen kurz vor Ende des Hochtannbergpasses

Die letzten 1500 Meter wurde es dann wieder etwas flacher. Ich nutzte dies, und würgte den ersten Riegel und das erste Gel des Tages runter. Nach gut 2,5 h erreichte ich die Passhöhe. Es folgte eine kurze aber schnelle Abfahrt, ehe ich bei Kilometer 61 die erste Verpflegungsstelle erreichte. Ich füllte lediglich meine Wasserflaschen was mich 2 Minuten Zeit kostete und setzte meine Fahrt fort. Die Abfahrt flachte nun zusehends ab und es mussten auch noch zwei kurze Gegenanstiege überwunden werden. Dann erreichte ich den Fuß des Flexenpasses. Dieser ist nur 6 km lang und weist auch nur eine Durchschnittssteigung von gut 5 % auf, stellte also kein großes Hindernis dar. Ich versuchte daher auch hier, möglichst kraftsparend also mit hohen Frequenzen zu fahren und ließ den Puls nur selten über 150 steigen. So dauerte es nicht lange und ich erreichte nach 3:17 h Minuten die Passhöhe.


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Die Labe auf der Passhöhe des Flexenpasses beim Highlander Radmarathon

Ich war bis hierher zufrieden mit meiner Leistung. Ich hatte nicht ein einziges Mal auf die Uhr geschaut, war aber der Meinung, recht zügig unterwegs zu sein. Ich spürte zwar erstmals leichtes Zucken in den Beinen, aber immerhin hatten wir schon mehr als die Hälfte der Höhenmeter zurückgelegt. Ich erinnerte mich an das Alpenbrevet im Jahr 2011. Damals hatte ich nach 2 von 5 Pässen bereits Krämpfe bekommen und es waren noch 170 km zu fahren gewesen. Wenn ich damals durchgekommen war, durfte das hier und heute ja auch kein Problem mehr werden. Wahrscheinlich hatte ich hier schon innerlich beschlossen, beim nächsten Anstieg noch einmal eine Schippe drauf zu legen. Doch zunächst galt es, die lange Abfahrt bis Bludenz zum Ausruhen zu nutzen. Diese war vor allem zu Beginn auch wieder sehr schnell und aufgrund des guten Asphaltes und der wenigen Kurven sehr gut zu fahren. Nach knapp der Hälfte wurde es für kurze Zeit etwas flacher und ich musste erstmals ernsthaft mittreten.


Es bildete sich hier schon eine kleine Gruppe und ich konnte in der Folgerzeit den Puls wieder auf einem angenehmen Niveau halten. Insgesamt war dies der erste lange Streckenabschnitt, auf dem man sich etwas erholen konnte. Jedenfalls wenn man konzentriert bleibt. Ich wollte die Phase nutzen und mir meine zweite „Mahlzeit“ gönnen. Während ich am Ende der Gruppe fuhr und meinen Riegel noch essen konnte, verlor mein Vordermann den Kontakt als ich gerade versuchte mein Gel aufzureißen. Wie schon oft in solchen Situationen, war ich zu nachlässig. Anstatt das Loch sofort selbst zu schließen, dachte ich mir: „Der hat das Loch gelassen, der wird es schon wieder zufahren“. Außerdem war ich der Meinung, wir müssten ohnehin bald in Bludenz sein. Der nächste Anstieg würde also bald folgen. Leider täuschte ich mich beides Mal. So kam es, dass wir zu zweit auf den nächsten nur noch mäßig abfallenden Kilometern zwar deutlich mehr arbeiten mussten, aber trotzdem langsamer vorankamen.


Erst kurz vor Bludenz fuhr die nächste größere Gruppe von hinten auf und ich konnte im Windschatten noch mal ein wenig durchschnaufen. In Ludesch machte ich dann zum zweiten Mal an einer Labe halt. Ich musste nur eine Wasserflasche füllen und wäre im Normalfall wohl gleich weitergefahren. Allerdings drückte meine Blase, also beschloss ich das aufgestellte Dixie-WC zu nutzen. Dummerweise hatte diese Idee auch ein anderer. Naja, dachte ich. Es will hier ja keiner Zeit verlieren, das wird schon nicht lange dauern. Doch wieder mal weit gefehlt. Gefühlt verbrachte ich 5 Minuten mit Warten. Ich futterte einen Riegel, ein Gel und noch eine halbe Banane. Kurz überlegte ich, mich einfach irgendwo zu erleichtern. Rings herum waren aber überall Häuser und Gärten. Wenn das jeder so machen würde, würden sich die Nachbarn auch bedanken. Irgendwann wurde es mir dann zu blöd. „Fahr ich halt noch ein Stück und halte dann in der Pampa kurz an“, dachte ich mir. Was soll ich sagen, ich hätte mir die ganze Warterei sparen können. Denn Pinkeln musste ich letztlich erst im Ziel.


Es folgte danach der Anstieg nach Ragall. Dieser kann grob in drei Teile gleicher Länge geteilt werden. Harter Beginn mit 8,5% im Schnitt über 2 Kilometer, leichteres Mittelteil mit 5,5% und zum Schluss noch einmal Steigungen zwischen 7 und 8%. Vielleicht war es die lange Erholungspause die ich auf der Abfahrt genossen hatte, vielleicht noch der Ärger, dass ich auf dem letzten Flachstück meine Gruppe verloren hatte und unnötig Kraft investieren musste. Vielleicht aber auch die Tatsache, dass insgesamt nur noch 23 km Anstieg vor mir lagen. Jedenfalls drehte ich jetzt richtig auf. Bei Pulswerten bis 160 und einer Geschwindigkeit von deutlich über 10 km/h nahm ich den ersten Teil wie im Flug. So überholte ich einen Teilnehmer nach dem anderen und wunderte mich, weil ich einige davon schon zum dritten oder vierten Mal überholt hatte. Im flacheren Mittelstück nahm ich ein wenig Tempo raus. Aber nur, um am Ende noch einmal Druck aufs Pedal zu bringen. Allerdings fiel es mir hier schon deutlich schwerer. Außerdem bremste der Respekt vor dem nun folgenden ein wenig meine Euphorie. Nach 4:48 h war der Scheitelpunkt erreicht und es folgte die kurze unspektakuläre Abfahrt nach Damüls.


Danach folgte der Scharfrichter des Marathons, das Faschinajoch. In Zahlen hieß das 10 Kilometer mit 7,7% im Schnitt. Keine Werte die einem Tränen in die Augen drücken. Im Mittelteil aber warten zwei Kilometer mit mehr als 9% im Schnitt und auf den letzten drei Kilometern dürfen fast 11% bezwungen werden. Ich stärkte mich erst einmal und gönnte mir den letzten Riegel und das letzte Gel. Ich konnte jetzt sicher jede Extraenergie gebrauchen. Ich fand bereits zu Beginn des Anstieges ein gutes Hinterrad. Obwohl wir vom Gefühl her ein hohes Tempo fuhren, überholten wir hier kaum einen Teilnehmer. Allerdings zog auch niemand an uns vorbei. Hier schien jeder in etwa das gleiche Tempo zu fahren. Die ersten drei Kilometer waren noch gut zu fahren, dann bremste uns die Steigung deutlich ein. Ich verlor nun ab und zu das Hinterrad meines Vordermannes, konnte die Lücke aber meist in den hier vorhandenen Kehren wieder schließen. Ich spürte in den Beinen nun schon deutlich die Anstrengungen des Tages. Und mir war klar, dass ich auch heute wieder früher oder später mit Krämpfen zu rechnen hatte. So kletterten wir Höhenmeter für Höhenmeter gemeinsam nach oben, bis wir den kurzen, etwas flacheren Mittelteil erreichten. Für kurze Zeit konnte man noch einmal durchatmen, dann läutete die nächste Serpentinengruppe eine Fortsetzung der Quälerei ein.


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Einer der Teilnehmer des Highlander Radmarathons im steilen Schlussteil des Faschinajochs

Bei zweistelligen Prozentwerten konnte ich das Vorderrad meines Mitstreiters nun nicht mehr halten. Ich musste ihn ziehen lassen. Allerdings entfernte er sich wie in Zeitlupe von mir. Nach einigen Minuten sah ich ihn immer noch 30 Meter vor mir fahren. Ich holte einen anderen Teilnehmer ein und beschloss direkt an ihm vorbeizuziehen. Aber kaum hatte ich das geschafft, zuckte mein Muskel. Ich versuchte im Stehen zu fahren, doch auch das brachte keine Linderung. Ich musste ausklicken und mein Bein ausschütteln. Nur so konnte ich verhindern, dass der Muskel endgültig zu machte. Zunächst drückte und zog ich aber vermehrt mit dem linken Bein. Das einzig positive an diesem Streckenabschnitt war die Tatsache, dass er sehr gleichmäßig verlief. Meine Geschwindigkeit pendelte knapp über 8 km/h, der Puls bei konstanten 156 Schlägen pro Minute. Ich spürte nun ein beständiges Ziehen im rechten Bein und wechselte immer wieder in den Wiegetritt. Aber auch im Sitzen musste ich meine Kraft sehr behutsam einsetzen, um keine Krämpfe zu bekommen „Wann ist dieser verdammte Pass endlich zu Ende“ fluchte ich leise vor mich hin. Endlich kam die letzte Serpentine und damit ein Ende des Horrors in Sicht. In der letzten Kurve machten uns ein paar Zuschauer Mut. „Nur noch 30 Höhenmeter“ riefen sie uns zu. Es kam mir weitaus mehr vor, motivierte aber trotzdem. Endlich erreichte ich nach 5:47 h die Passhöhe uns stürzte mich auch gleich in die Abfahrt.


Es waren nur ein paar Serpentinen zu überwinden, dann hatte ich freie Fahrt und ließ es ordentlich laufen. Es war allerdings ein komisches Gefühl mit über 70 km/h in den längeren Tunnel kurz vor Damüls einzutauchen. Viel zu schnell hatte die Erholung ein Ende und es galt, den letzten Pass des Tages zu bezwingen. Doch zuvor kam die letzte Labe. Ich hatte noch mehr als eine halbe Flasche Wasser, aber nichts mehr zu essen. „Scheiß drauf, wird schon irgendwie gehen“, dachte ich mir und ließ die Labe links liegen. Das Furkajoch stellt eigentlich keine besondere Herausforderung dar. Nur 400 Höhenmeter sind auf 7,5 km zu bezwingen, allerdings hatte ich auch schon 3500 davon in den Beinen. Nach kurzer Einrollphase durften gleich wieder Steigungen bis 10% bezwungen werden. Ich fand ein gutes Hinterrad und unterließ jeglichen Versuch, meinen Kontrahenten zu überholen. So meisterten wir gemeinsam, den ersten Abschnitt. Danach wurde es für 2 Kilometer fast flach. Wirklich Geschwindigkeit machten wir jetzt aber keine mehr. Wir waren einfach nur froh, dass unser Rad sich auch fortbewegte, ohne unendlich viel Druck auf die Pedale ausüben zu müssen.


Mittlerweile waren wir zu dritt und freuten uns, dass endlich auch die Passhöhe in Sicht kam. Über zwei weite Linkskurven mussten die letzten 3 Kilometer bezwungen werden. Ich bekam jetzt plötzlich noch einmal die zweite Luft. Obwohl ich mittlerweile tierisch Hunger hatte, schaffte es mein Körper noch einmal ungeahnte Energien freizusetzen. Ich löste mich von meinen zwei Begleitern und konnte die Geschwindigkeit trotz noch mal anziehender Steigung aufrecht halten. Vor mir sah ich sogar meinen ehemaligen Begleiter auftauchen, den ich am Faschinajoch hatte ziehen lassen müssen. Ich versuchte die Lücke noch einmal zu schließen, was mir nicht ganz gelang. Dann endlich war die Passhöhe nach 6:25 h erreicht. Ich brauchte jetzt unbedingt etwas zu Essen. Es lagen zwar keine Steigungen aber immerhin noch 40 Kilometer vor uns. Glücklicherweise stand oben eine Gruppe Radler und eine nette Dame spendierte mir auf Nachfrage sofort einen Riegel.


Dann stürzte ich mich in die Abfahrt und war froh, dass ich mich endlich wieder etwas ausruhen konnte. Allerdings musste ich hier wieder einmal feststellen, dass ich nicht gerade zu den besten Abfahrern gehöre. Es waren doch einige Radsportler, die mich überholten. Ich versuchte aber an ihnen dran zu bleiben. Gegen Ende sollte noch ein längeres Flachstück folgen und dort war eine Gruppe sicher noch mal hilfreich. Die Abfahrt ist aber auch nicht ohne. Besonders im oberen Teil sehr steil und damit schnell. Dazu viele Kurven, eine extrem schmale Strasse und im unteren Teil noch drei Tunnels. Ich schaffte es mit etwas Mühe den Kontakt zu halten. An einer Baustelle mit Ampelregelung mussten wir anhalten und eine Minute warten. So schlossen von hinten noch einmal einige Rennfahrer auf. Mit diesen bewältigte ich auch den zweiten Teil der Abfahrt und so ging es auf welligem Terrain auf die letzten 15 Kilometer. Wir waren knapp 10 Mann und einige hatten wohl noch mächtig Körner übrig. Jedenfalls wurde ein irrsinniges Tempo angeschlagen. Ich hatte Mühe im Windschatten überhaupt mitzuhalten. Auch hier wurde einigermaßen durchgewechselt und so war auch ich bald an der Reihe. Ich versuchte alles, schaffte es aber wohl nicht, die Geschwindigkeit zu halten. Jedenfalls wurde ich schon bald wieder von links überholt.


Über kleinere Hügel wurde jetzt im Wiegetritt hinweggefegt. So anstrengend das Ganze auch war, soviel Spaß machte es auch. Wenn man weiß, dass man bald im Ziel ist, kann man bedenkenlos alles raushauen was man noch hat. Dieser Teil eines Marathons entschädigt immer wieder für all das Leiden zuvor. Die Flamme Rouge kam bereits in Sicht, da war ich wieder an der Reihe, meine Nase in den Wind zu halten. Diesmal hielt ich die Geschwindigkeit. Trotzdem war ich froh, dass ich kurz vor dem Ziel noch einmal überholt wurde. Ich hatte im letzten Abschnitt sicher nicht am meisten gearbeitet und es wäre mir fast peinlich gewesen, die Gruppe ins Ziel zu führen. Außerdem begann sich jetzt mein Oberschenkel wieder zu verkrampfen und ich musste erneut in den Wiegetritt wechseln. Unter dem Applaus etlicher Zuschauer erreichten wir das Ziel. Während ich zum ersten Mal an diesem Tag überhaupt auf die Uhr blickte, hörte ich im Hintergrund den Zielsprecher noch meinen Namen verkünden. 7:13 h zeigte mir mein Tacho an und ich nickte einigermaßen zufrieden. Ich futterte erstmal eine Kleinigkeit, duschte danach in der Turnhalle bei eiskaltem Wasser uns schaute mir später noch den Zieleinlauf von Steffi an, die knapp 1 Stunde nach mir ebenfalls zufrieden ins Ziel kam. Danach quälte ich mich noch einmal 4 Stunden. Diesmal aber nicht auf dem Rad sondern im Auto und auch nicht über Pässe sondern durch diverse Staus. Und was soll ich sagen, es machte nicht halb so viel Spaß!



Fazit:

Ein schöner aber auch sehr harter Marathon. Wer das Ding wirklich auf Zeit fährt, hat zunächst mal 80 Kilometer Arbeit vor sich auf denen man sich kaum mal ausruhen kann. Und das Faschinajoch als zweitletzter Pass sorgt dann dafür, dass auch die letzten Körner mobilisiert werden müssen. Aber auch landschaftlich hat der Marathon einiges zu bieten, wenn man sich denn die Zeit nimmt und ab und zu mal nach links oder rechts blickt. Über die Verpflegung kann ich nicht viel sagen, außer einer halben Banane hab ich mir ja nichts gegönnt. Ansonsten waren alle Helfer ob am Start oder im Ziel sehr freundlich.


Mit meiner Zeit war ich anfangs ja durchaus zufrieden. Mittlerweile habe ich mir aber mal Fahrzeiten von Sportlern angeschaut, welche 2012 sowohl den Highlander, als auch den Ötztaler Radmarathon gefahren sind. Unter Ausschluss von Ausreißern ergibt sich ein Umrechnungsfaktor von 1,32. Meine Zeit vom Highlander würde also für ca. 9:30 h beim Ötztaler reichen. Eine Zeit, die ich mit wesentlich mehr Pausen bereits 2010 erreicht, 2012 trotz Sturz unterboten habe und eine halbe Stunde langsamer, als mein Ziel für 2014. Sonderlich toll, war die Zeit also doch nicht. Allerdings habe ich dieses Jahr natürlich auch deutlich weniger trainiert, als die Jahre zuvor. Mit einem kann ich aber absolut zufrieden sein. Ich hatte nur 7 Minuten Standzeiten und damit weniger als jemals zuvor bei einer solchen Distanz. Darauf lässt sich zumindest aufbauen. Nächstes Jahr im Training wieder eine Schippe drauflegen und dann wird das doch noch was mit Sub9 beim Ötzi :-)