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Transalp Österreich/Italien von Rankweil nach Spittal vom 22.07.13 - 30.07.13

    Tag1 (Furkajoch, Faschinajoch)

    Tag2 (Silvretta-Hochalpenstrasse)

    Tag3 (Brenner, Penser Joch)

    Tag4 (Passo San Lugano, Passo Manghen)

    Tag5 (Passo di Lavaze)

    Tag6 (Würzjoch, Furkelsattel)

    Tag7 (Staller Sattel)

    Tag8 (Iselsbergpass, Großglockner-Hochalpenstrasse)

    Tag9 (Nockalmhöhenstrasse)


6. Tag (Würzjoch, Furkelsattel)


Um kurz vor sieben Uhr war die Nacht trotzdem schon wieder vorbei. Um 7:30 Uhr saßen wir dann bei einem spärlichen Frühstück. Ich schaufelte trotzdem einiges in mich hinein, schließlich stand heute eine Hammeretappe auf dem Plan. Lediglich 66 km waren zu bewältigen dafür aber über 2.500 hm, ein km/hm – Verhältnis, wie ich es sicher noch nie gefahren war. Wir kamen morgens trotzdem nicht so richtig in die Puschen. Als ich kurz vor der Abfahrt meine Reifen checkte, stellte ich dann auch noch fest, dass ein Mantel auf der Flanke ziemlich aufgerissen war. Aber für was schleppe ich seit Jahren einen Ersatzmantel durch die Alpen. Eben für solche Momente. Um kurz vor 9 Uhr ging es dann aber endgültig los. Wie ich am Tag zuvor, deckten wir uns im Spar in St. Andrä mit Essen ein. Das Würzjoch war ansonsten herrlich zu fahren. Der Asphalt war zwar nicht immer vom Feinsten, dafür war die Aussicht auf die Dolomiten herrlich.

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Herrliche Blicke auf die Dolomiten während des Anstieges von Brixen zum Würzjoch.

Es war kaum Verkehr vorhanden und die Steigung stellte uns vor keine Probleme. Unterwegs passierten wir zwei Hochpunkte mit kurzer Zwischenabfahrt. Wir gönnten uns davor jeweils zwei kurze Pausen.

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Herrliche Blicke auf die Dolomiten während des Anstieges von Brixen zum Würzjoch.

Nach 2:40 h erreichten wir schließlich die Passhöhe und gönnten uns eine Fastenbrezen mit Wienerle. Die Abfahrt war dann leider das genaue Gegenteil zur Auffahrt. Eine steile Straße und ein schlechter Straßenbelag zwangen uns quasi zum Dauerbremsen. Bei einem kurzen Fotostopp verbrannte ich mir fast die Wade weil ich die Felge meines Vorderrades berührte. Vom ständigen Bremsen schmerzten mir auch langsam die Hände. So war ich fast froh, als es kurz nach Antermoia noch einmal einen kurzen Gegenanstieg gab. Im Tal in Zwischenwasser angekommen, begann dann direkt der Aufstieg zum Furkelpass. Dieser stellte auf den ersten knapp fünf Kilometern keine Schwierigkeiten dar. Danach folgte sogar ein kurzes fast flaches Stück. Steffi machte sich trotzdem Sorgen. Denn das Profil versprach für den Rest des Passes reichlich Laktat. Im Schnitt waren auf den letzten 4 km mehr als 10% zu bewältigen. Der Schweiß floss jetzt wieder in Strömen und ich versuchte Steffi immer wieder etwas aufzumuntern, denn sie musste hier mächtig kämpfen.

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Blick zurück auf die schmale, teilweise sehr steile Straße von Zwischenwasser zum Furkelsattel.

Mit zwei kurzen Pausen zwischendrin schafften wir aber auch diese Herausforderung. Die Passhöhe oben war dann eigentlich ganz nett, leider fehlte etwas die Aussicht. Dafür versüßte ein kleiner See den Aufenthalt. Dann folgte die Abfahrt nach Olang. Hier durften wir zwar schöne Aussichten ins Tal genießen, dafür war der Asphalt zwar besser als zuvor aber auch nicht wirklich gut.

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Blick auf Olang während der Abfahrt vom Furkelsattel.

Erst das letzte Stück war dann schön zu fahren. Um kurz nach 15:00 Uhr erreichten wir nach 65 km, 2200 hm und einer Fahrtzeit von 4:30 h unser Ziel und fanden zwar schnell die Touri-Info, dafür kein günstiges Hotel. So buchten wir uns schließlich für knapp 70 Euro im Alpinhotel ein. Immerhin durften wir ein Gratis-Radler genießen. Danach spulten wir das übliche Programm ab, duschen, Klamotten waschen und Einkaufen. Dann gab es leckeres Essen in der Pizzeria Christel. Während dem Essen gewitterte es etwas, was wieder für eine willkommene Abkühlung sorgte. Doch den krönenden Abschluss durften wir anschließend im hoteleigenen Pup genießen. Der sympathische, einzigartige und ruhmreiche Championsleague-Sieger der Herzen Borussia Dortmund schlug im Deutschen Supercup die arrogante Millionentruppe aus dem Freistaat Bayern mit 4:2!

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7. Tag (Staller Sattel)


Ich schief wieder gut und saß um 7:30 Uhr bereits mit Steffi beim Frühstück. Dieses bestand dieses mal aus einem tollen Buffet und so schlugen wir ordentlich zu. Daher dauerte es etwas, bis wir in die Gänge kamen. Um 9:30 Uhr starteten wir dann unsere Tour. Da Olang nicht wirklich groß ist, hatte ich auf der Karte nicht geschaut, in welche Richtung wir mussten. So brauchten wir eine Weile, bis wir endlich den richtigen Weg über Antholz zum Staller Sattel fanden. Der Anstieg verlief zunächst sehr gemächlich. Allerdings war es schweineheiß und wir waren der prallen Sonne ausgesetzt. Außerdem herrschte reichlich Verkehr, was die Fahrt nicht angenehmer machte.

Nach 13 km folgte dann das erste drei Kilometer lange Steilstück. Steffi war wohl bereits mit den Gedanken am schweren Schlussteil, das man aufgrund zeitlich begrenzter Einbahnregelung in einer bestimmten Zeit absolvieren sollte. Jedenfalls war sie auf das erste Steilstück nicht vorbereitet und musste daher ziemlich kämpfen. Ich konnte ihr dieses Mal aber nicht beistehen. Ich musste selbst so sehr mit der Hitze kämpfen, dass ich nur noch in den Schatten wollte. Also gab ich Gas und ließ erst wieder locker, als ich unter einer Menge schattenspendenden Bäumen stand. Dort wartete ich auf Steffi.

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Endlich flacher. Nach dem Steilstück beim Anstieg von Olang zum Staller Sattel kurz vor Antholz.

Danach wurde es wieder flacher und wir erreichten rasch das Antholzer Biathlonstadion. Es war schon witzig hier mit dem Rennrad zu stehen. Schon im Kindesalter sah ich dort im Fernsehen die deutschen Biathleten Rennen gewinnen. Heute fanden hier Jugendreiterspiele statt. Auch das war ganz nett anzuschauen. Wir fuhren weiter zum nahegelegenen See. Hier beginnt die Einbahnstraßen-Regelung. Alle 30 Minuten wird die Straße für 15 Minuten in eine Richtung geöffnet. Da wir noch ein wenig Zeit hatten, bis die Straße für uns geöffnet wurde, genossen wir noch ein wenig die Aussicht am See.

Dann ging es los. Steffi hatte vor diesem Abschnitt ein wenig Angst. Mit über 9% im Schnitt war es nicht nur sehr steil, es war natürlich auch sehr schmal. Wer es innerhalb der halben Stunde nicht nach oben schafft, hat daher mit gefährlichem Gegenverkehr zu rechnen. Wir stellten uns in der langen Schlange natürlich ganz nach vorne. Zwar mussten uns dann alle Autos überholen, aber so würden wir keine Zeit verlieren. Dann wurde die Ampel grün. Die ersten 10 Minuten waren natürlich ätzend. Ein KFZ nach dem anderen fuhr an uns vorbei. Da sich die Autofahrer aber alle sehr diszipliniert verhielten, war es zu ertragen. Als der erste Schwung dann vorüber war, konnte man den Anstieg so richtig genießen. Jedenfalls wenn man die nach wie vor hohe Steigung außer Acht ließ. Ich schlug ein ordentliches Tempo an, schnell genug, um rechtzeitig nach oben zu kommen, langsam genug, dass Steffi mir folgen konnte.

Sie hielt sich aber so gut, dass ich mich bei den wenigen Fotostopps beeilen musste, um nicht den Anschluss zu verlieren. Der Anstieg wurde nun immer schöner. Wunderbare Ausblicke auf den Antholzer See und etliche Serpentinen ließen einen die Steigung komplett vergessen. In der letzten Serpentine kamen uns dann die ersten Motorräder und Autos entgegen, ein paar Sekunden später erreichten wir, gemäß meiner Uhr nach genau 30 Minuten die Passhöhe.

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Blick zurück auf den Antholzer See von der Passhöhe des Staller Sattel.

Steffi war begeistert und zu Recht ein wenig stolz. Wir gönnten uns oben eine längere Pause. Dann folgte die Abfahrt. Diese war auf den ersten Metern noch sehr schön. Kurz nach der Passhöhe passiert man den hübschen Obersee.

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Blick auf den Obersee an der Passhöhe des Staller Sattel.

Danach wurde die Strasse richtig schlecht. Mieser Asphalt mit teilweise faustdicken Rissen machten die Abfahrt zu einer Tortur. Zwischendrin wurde es zeitweise besser, insgesamt war es aber sicher die schlechteste Abfahrt unseres Urlaubes. Bis Huben wechselten sich nun flachere und steilere Abschnitte ab. Ich dachte eigentlich, wir hätte nun das Schlimmste hinter uns, aber nun galt es einen altbekannten Feind zu bekämpfen, den Gegenwind. Der folgende Abschnitt war absolut deprimierend. Eine fast flache, gut ausgebaute Strasse ohne jegliche Abwechslung, keine Höfe, keine Ortschaften, kaum Kurven und ein heftiger Gegenwind. Etwa 12 km vor Lienz gab es rechts der Straße einen Radweg, auf den wir wechselten und schlagartig wurde es besser. Direkt am Fluss entlang und durch zahlreiche Bäume vom Wind geschützt verbesserte sich unsere Laune wieder. Um 14:45 Uhr erreichten wir nach 3:35 h Fahrtzeit, 84 km und 1200 hm Lienz.

Dort angekommen, buchten wir zunächst am Bahnhof unsere Fahrkarten für die Rückfahrt von Spittal nach Rankweil und mussten anschließend feststellen, dass die Touri-Info schon geschlossen hatte. Wir holten uns in einem Restaurant Tipps und fanden schließlich ein Hotel für 35 Euro (Gästehaus Vergeiner). Das Hotel war ziemlich abgewohnt, aber wir waren schon froh, auf die Schnelle überhaupt etwas gefunden zu haben. Danach spulten wir unser übliches Programm ab und gingen früh schlafen.

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8. Tag (Iselsbergpass, Großglockner-Hochalpenstraße)


Nach einer ruhigen Nacht trafen wir uns um 7:00 Uhr bei einem dürftigen Frühstück. Wir checkten aus und fragten an der Rezeption nach, ob wir unser Gepäck den Tag über hier lassen konnten, was auch kein Problem darstellte. Danach deckten wir uns noch im nahen Edekamarkt mit Lebensmitteln ein. Um 8:40 Uhr starteten wir dann Richtung Großglockner. Der Wetterbericht sagte zum Ersten Mal schlechtes Wetter und Gewitter am frühen Nachmittag voraus. Als wir uns durch den starken Verkehr durch Lienz kämpften, war es aber noch sehr sonnig und schon ziemlich warm. Vor dem Großglockner galt es zunächst den Iselsbergpass zu bezwingen. Der Anstieg zog sich ganz schön in die Länge und war teilweise auch sehr steil. Da wir aber zum ersten Mal ohne Gepäck fahren konnten, schlug ich ein strammes Tempo an. Steffi hatte hier Mühe mir zu folgen und so musste sie einen Teil des Passes alleine fahren.

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Blick zurück ins Tal während dem Anstieg von Lienz zum Iselsbergpass.

Danach folgte eine kurze Abfahrt und dann der Anstieg Richtung Heiligenblut. Von Anstieg konnte aber zunächst keine Rede sein. Es ging schier endlos lange ein Tal entlang, teilweise leicht ansteigend, manchmal sogar leicht bergab. Ich ahnte hier schon, dass dieser Streckenabschnitt auf dem Rückweg zur Hölle werden konnte. Aber bereits der Hinweg machte keinen Spaß. Ich machte mir auch langsam Sorgen, ob wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg waren, weil ich längst mit einem steileren Stück gerechnet hatte. An einer Tankstelle vergewisserten wir uns daher, wurden aber rasch beruhigt. Kurz danach wurde es dann endlich steiler. Ich wählte ein für mich angenehmes Tempo, dem Steffi aber nicht folgen konnte.

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Auch mein Rad braucht mal Pause. Herrliche Ausblicke während des Anstieges zur Franz-Josephs-Höhe auf der Grossglockner-Hochalpenstraße.

Bis Heiligenblut ließ es sich aber noch ganz gut fahren. Dort wartete ich auf Steffi. Sie war wohl schon komplett im Wettkampfmodus. Den Großglockner war sie im Rahmen des Giro d’Italia bei der Veranstaltung Fight for Pink schon einmal auf Zeit gefahren. Jedenfalls übersah sie mich und fuhr einfach weiter. Umso überraschter war sie dann, als ich sie kurze Zeit später überholte. Die Steigung hatte jetzt deutlich angezogen. Auf den nächsten sechs Kilometern mussten wir bis auf einen etwas flacheren Kilometer in der Mitte deutlich mehr als 10% bezwingen. Zu allem Übel blies der Wind von Minute zu Minute heftiger. Auf einer langen Geraden kam er direkt von vorn und raubte uns die letzten Körner. An einem kleinen Gasthof, der leider geschlossen hatte, hielt ich an und wartete auf Steffi. Sie konnte bestimmt auch eine Pause brauchen. Und damit lag ich nicht falsch. Sie hatte sich in einen ordentlichen Hungerast gefahren und brauchte dringend etwas zu essen. Aufgrund der inzwischen kühlen Temperaturen und des heftigen Windes, machten wir trotzdem nur eine kurze Pause.

Es folgte eine kurze Zwischenabfahrt und zwei flache Kilometer, die wir zur Erholung nutzen konnten. Auf diesem Teil durchfuhren wir auch den Kreisverkehr, von dem die Straße entweder zur Stichstrasse zur Franz-Josephs-Höhe oder zum Passübergang am Hochtor führt. Mein Plan war natürlich das Hochtor. Morgen stand nur noch die Nockalm-Höhenstrasse auf dem Programm, dann wäre ich meinem Ziel, alle Alpenpässe über 2.000 m Höhe gefahren zu sein, ein großes Stück näher gekommen. Österreich und Italien wären dann vollbracht. Doch leider kam es anders.

Die Wegweiser im Kreisverkehr machten mich schon stutzig. Einer wies den Weg nach Bruck, auf dem anderen stand Großglockner-Hochalpenstrasse. Bruck kam mir bekannt vor, „war das nicht der Ausgangspunkt der Nordauffahrt?“, dachte ich mir. Aber Großglockner Hochalpenstrasse hörte sich noch besser an. Also folgte ich dem Wegweiser und Steffi folgte mir. Erst später erfuhr ich, dass das Ziel der damaligen Fight-for-Pink-Etappe auch die Franz-Josephs-Höhe war und Steffi gar nicht wusste, dass ich irgendwo anders hin wollte. Für einen Kilometer blieb es zunächst noch flach, dann zog die Steigung wieder deutlich an. Gleichzeitig wurde es von Minute zu Minute kälter. Ein eisiger Wind blies uns nun um die Nase.

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In schier unendlicher Entfernung: Der Pasterzengletscher und das Gletscherrestaurant auf der Franz-Josephs-Höhe.

Steffi begann so langsam zu frieren, weigerte sich aber ihre Regenjacke anzuziehen, weil sie diese später nicht verschwitzt auf der Abfahrt tragen wollte. Auch mein Angebot, meine Jacke anzuziehen, schlug sie aus. Nach drei steilen Kilometern wurde es wieder für ein kurzes Stück flacher und wir erreichten das Glocknerhaus. Von hier hatte man einen guten Blick auf das was noch folgen sollte. Drei Serpentinen und eine lange, steile Galerie trennten uns nun noch vom Gipfel. Steffi musste mit dem Anstieg und vor allem dem Wetter nun heftig kämpfen. Ich konnte mir das nicht länger ansehen und musste sie förmlich zwingen, meine Regenjacke anzuziehen. Mir selbst wurde es langsam kalt, für sie musste es sich demnach wie im tiefsten Winter anfühlen.

Ich blieb nun immer dicht bei ihr und versuchte ihr, auf der nach den Serpentinen folgenden langen Geraden Windschatten zu bieten. Der Wind blies uns nun fast vom Rad. Nach einiger Zeit erreichten wir endlich die Galerie. Hier waren wir etwas vom Wind geschützt. Dann endlich erreichten wir die letzte Kurve. Auf den letzten nur noch leicht ansteigenden Metern hatten wir dann Rückenwind. Ich musste nicht mehr treten, der Wind blies mich regelrecht den Berg nach oben. Spätestens hier fiel die Entscheidung, wenn irgend möglich auf die Abfahrt zu verzichten.

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Blick zurück aus der letzten Kehre an der Franz-Josephshöhe auf das Alpincenter auf der Grossglockner-Hochalpenstrasse.

Aber zuerst einmal suchten wir Schutz im Gletscherrestaurant und wärmten uns bei Speis und Trank etwas auf. Danach wollte ich eigentlich noch durchs Tunnel auf die andere Seite fahren. Noch wähnte ich mich ja am Hochtor, auch wenn die Höhe und die bisherigen Steigungen überhaupt nicht zu meinem ausgedruckten Profil des Passes gepasst hatten. Wir fuhren noch bis ans Ende der Strasse und gingen in den dortigen Souvenir-Shop. Erst als ich mir dort eine Karte anschaute, bemerkte ich unseren Fehler, wir waren falsch gefahren.

Als jemand, der seine Urlaube immer sehr detailliert plant, war dies an Peinlichkeit eigentlich nicht zu überbieten. Es war in diesem Moment wie ein Schlag in die Magengrube. Österreich war also nicht abgehakt, ich würde noch ein Jahr mehr brauchen, um alle 2.000er der Alpen gefahren zu sein. Es dauerte ein wenig, bis ich mich von diesem Schock erholt hatte. Dann jedoch galt es, das aktuelle Problem zu lösen. Bei dem stürmischen Wind hatten wir keine Lust bergab zu fahren, da waren wir uns beide schnell einig. Ein kurzes Nachfragen ergab, dass erst um 16:30 Uhr ein Bus fahren würde. Ein regelmäßiger Busverkehr würde es aber ab Heiligenblut geben. Da es gerade mal 13:30 Uhr war, entschieden wir, uns bis Heiligenblut durchzuschlagen.

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Blick von der Franz-Joseph-Höhe auf den Margaritzenstausee am Ende der Grossglockner-Hochalpenstrasse.

Die Abfahrt war anfangs nicht ganz ungefährlich. Der starke Wind rüttelte doch erheblich an uns. Je weiter wir nach unten kamen, desto besser wurde es aber. Als wir wieder an dem Kreisverkehr ankamen, an dem wir falsch gefahren waren, fragte ich Steffi, ob wir nicht noch das Hochtor mitnehmen sollten. Die Frage war nicht wirklich ernst gemeint und Steffi lehnte natürlich dankend ab. Hätte sie allerdings Ja gesagt, wäre ich ohne zu Zögern hochgefahren. Ob das dann eine gute Idee gewesen wäre, steht freilich auf einem anderen Blatt. Als wir in Heiligenblut ankamen, fing es dann aber auch noch an zu regnen. Die Entscheidung den Bus zu nehmen, war damit endgültig gefallen. Also fragten wir in der Touri-Info nach. Während die dortige Mitarbeiterin im Busfahrplan nachschaute, blickte ich auf die Uhr. Es war genau 14:00 Uhr. Dann folgte die deprimierende Aussage: „Um 13:57 Uhr ist ein Bus gefahren, der nächste fährt dann erst wieder in 2 Stunden“.

„Na prima!“, dachte ich. Doch Steffi hatte noch nicht aufgegeben. „Komm, der steht bestimmt noch draußen“, meinte Sie und war von ihrer, meiner Meinung nach utopischen Idee nicht abzubringen. Wir stürzten also nach draußen und was soll ich sagen. Manchmal lohnt es sich doch, auf die Frauen zu hören :-) Der Bus stand tatsächlich noch da, hatte aber schon den Motor laufen. Steffi rannte also hin und klopfte an die hintere Tür. In diesem Moment fuhr er langsam an. Ich hatte jetzt nur noch eine Chance. Ich stieg aufs Rad, überholte ihn und stellte mich mit flehender Geste vor ihn. Und mein Flehen wurde erhört. Der Bus hielt, der Fahrer stieg kopfschüttelnd und etwas missmutig aus, packte unsere Räder aber auf den hinteren Radträger und nahm uns mit.

Wir konnten unser Glück kaum fassen. Während es draußen Bindfäden regnete, saßen wir nun im Trockenen und hatten uns 2 Stunden sinnlose Warterei erspart. Um kurz vor 16:00 Uhr erreichten wir Lienz. Auf dem Tacho hatten wir heute 75 km, 2100 hm und eine Fahrtzeit von 4:20 h stehen. In Lienz hatte es inzwischen aufgehört zu regnen. Wir fuhren schnell zurück ins Hotel, holten unsere Sachen ab, kauften eine Kleinigkeit ein und trafen rechtzeitig auf dem Bahnhof ein, um den Zug nach Spittal an der Drau zu erreichen. In Spittal schüttet es dann wieder wie aus Kübeln. Zum ersten Mal in unserem Urlaub wurden wir so richtig nass. Wir kämpften uns zur Touri-Info durch und buchten uns in einem mexikanischen Restaurant ein. Steffi bekam dort ein schönes Doppelzimmer mit großer Dusche, während ich in einem miesen Einzelzimmer untergebracht wurde. Nicht nur dass meine Dusche nicht halb so schön war. Der Boden war auch dreckig und mein Fenster konnte ich nicht öffnen, weil direkt davor das Bett stand.

Wären wir hier nur für eine Nacht geblieben, hätte ich es vielleicht sogar hingenommen. Aber gerade in dem Hotel, in dem wir 2 Nächte am Stück bleiben sollten, das schlechteste Zimmer des ganzen Urlaubes zu haben, ging gar nicht. Ich reklamierte den Zustand des Zimmers an der Rezeption und bekam prompt das Doppelzimmer neben Steffi, das genau so schön war. Während Steffi den Wellnessbereich inklusive Sauna nutzte, duschte ich, wusch meine Sachen und döste ein wenig. Abends gab es dann ein leckeres mexikanisches Essen in tollem Ambiente. Anschließend sahen wir uns noch ein wenig die Stadt an, welche gelinde gesagt, potthässlich war. Danach ging es ins Bett.

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9. Tag (Nockalmhöhenstrasse mit Schiestlscharte und Eisentalhöhe)


Ich verbrachte eine ruhige Nacht und saß um 7:30 Uhr guten Mutes am Frühstückstisch. Wir genossen ein sehr gutes Buffet und widmeten uns danach noch kurz der Kettenpflege. Dann ging es auf die letzte Etappe. Da heute eine Rundtour auf dem Programm stand, durften wir zum Abschluss noch einmal ohne Gepäck die Pässe erradeln. Steffi schien der Saunagang vom Vortag so zu beflügeln, dass sie nicht aufhörte, große Töne zu spucken. Sie würde mich heute aus den Socken fahren, musste ich mir anhören. Es kam natürlich anders :-) Unser Weg führte uns zunächst auf viel befahrenen Strassen, später über einen verwinkelten Radweg durch Spittal. Nachdem wir die Stadt verlassen hatten, wurde er aber wunderschön. Mit herrlicher Aussicht auf den Milstätter See und die umgebenden Berge pedalierten wir vergnügt dahin. Die Aussicht war so gut, dass sich Steffi mehr oder weniger ernsthaft überlegte, die Etappe direkt zu beenden und an den See zu liegen. Sie sollte es nicht bereuen, es nicht getan zu haben.

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Blick auf den Milstätter See während der Anfahrt von Spittal an der Drau zur Nockalmhöhenstrasse.

Zunächst einmal folgte ein leichter, aber sehr unrhythmischer Anstieg nach Bad Kleinkirchheim. Dort ging es erstmal in den örtlichen Supermarkt. Danach folgte ein welliges Stück mit teilweise heftigem Gegenwind nach Reichenau. Dort begann dann die Nockalmhöhenstrasse, zunächst mit dem Anstieg zur Schiestlscharte. Es ging zunächst eher gemächlich los. Allerdings machte uns der strenge Wind teilweise zu schaffen. Schon bald erreichten wir dann die Mautstelle und wurden auf die nun folgenden 56 Kehren hingewiesen. Und nun zog auch die Steigung erheblich an. Zwei Kilometer mit über 11% im Schnitt zwangen uns mächtig zum Kämpfen. Trotzdem wusste der Anstieg zu gefallen. Viele Kehren, kaum Verkehr und eine immer besser werdende Aussicht entschädigten für alles.

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Kurz vor der Schiestlscharte, dem ersten Hochpunkt der Nockalmhöhenstrasse: Sanfte Hügel, saftig grüne Wiesen und lichter Wald.

Bald schon konnten wir auch das Naturphänomen betrachten, welches der Strasse ihren Namen gab. Während wir noch Tage zuvor die eher schroffe Dolomitenwelt erleben durfte, wurde hier das Bild von rundgeschliffenen Erhebungen (den sogenannten Nock’n) geprägt. Diese sind überzogen mit Lärchen-, Fichten- und Zirbenwald sowie saftig grünen Wiesen. Trotz der Anstrengung wurde mir aber langsam kalt. „Wenn ich schon friere, kann es Steffi nicht gut gehen“, dachte ich mir. Und so war es auch. Diesmal musste ich aber nicht mehr so lange auf sie einreden, ehe sie ein Windstopperhemd und ihre Windjacke anzog. So gerüstet, ging es auf die letzten Kilometer zum Gipfel. Oben angekommen verzogen wir uns dann erstmal in die schützende Hütte und gönnten uns eine Suppe.

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Blick auf den kleinen See kurz vor der Schiestlscharte, dem ersten Hochpunkt der Nockalmhöhenstrasse

Dann folgten eine schnelle Abfahrt und direkt der Gegenanstieg zum zweiten Hochpunkt der Nockalmstrasse, der Eisentalhöhe. Wer schon mal direkt von einer Abfahrt in eine Wand fuhr, weiß wie wir uns fühlten. Glücklicherweise wurde es nach 500 Metern wieder besser. Die nächsten 2,5 km waren gut zu fahren, erst dann zog die Steigung für die restlichen 3,5 km wieder deutlich an. Trotzdem sah man bei uns beiden nur freudige Gesichter. Die Steigung war zwar hoch, aber sehr gleichmäßig und daher gut zu fahren. Die wunderschöne Aussicht, quasi kein Verkehr und zahlreiche Kehren entschädigte aber ohnehin für all die Mühe.

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Der Autor in einer der Serpentinen auf dem Weg zur Eisentalhöhe auf der Nockalmhöhenstrasse.

Steffi bekam hier sogar noch mal die zweite Luft und konnte beachtliche Geschwindigkeiten fahren. Kurz vor dem Gipfel nahmen wir die tolle Kulisse dann noch zum Anlass, ein kleines Fotoshooting zu veranstalten.

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Steffi und ich auf den letzten Metern unseres Urlaubes. Kurz vor der Eisentalhöhe auf der Nockalmhöhenstrasse.

Oben angekommen kam dann bereits ein wenig Wehmut auf. Der letzte Pass des Urlaubes war bezwungen, keine weiteren Höhenmeter mehr in Sicht. Wir genossen aber zunächst die schöne Aussicht, ehe wir uns in die letzte Abfahrt stürzten. Diese erwies sich dann als krönender Abschluss unseres Urlaubes. Ein Wechsel zwischen wenigen Serpentinen und vielen weiten Kurven und die ganze Zeit ein vorzüglicher Straßenbelag. Zum Schluss durften wir noch einmal 15 km an einem Fluss entlang auf leicht abfallender Strasse vor uns hin pedalieren. Dann erreichten wir nach 115 km, 2200 hm und einer Fahrtzeit von 5:20 h Spittal. Wir klatschten uns ein letztes Mal ab und waren uns einig, eine würdige letzte Etappe gefahren zu sein.

Abends gab es dann wieder leckeres mexikanisches Essen und wir ließen den Abend ruhig ausklingen. Am nächsten Tag saßen wir schon um kurz vor sieben Uhr am Frühstückstisch und traten um 8:00 Uhr unsere Rückreise mit dem Zug von Spittal über Salzburg nach Rankweil an. Einschl. eines kurzen Aufenthalts mit Umstieg in Salzburg waren wir insgesamt 8 Stunden unterwegs. Danach folgten noch knapp 4 Stunden Autofahrt ehe wir wieder in Karlsruhe ankamen.


Fazit:

Es war ein toller Urlaub mit dem wohl besten Wetter, das ich bisher erlebt hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass wir wirklich alle Etappen wie geplant schaffen würden (wenn man mal vom versehentlichen Abstecher zur Franz-Josephs-Höhe absieht). Bei 9 Etappen am Stück ohne Ruhetag muss schon alles perfekt laufen, um wirklich durchzukommen. Mit der Silvretta Hochalpenstrasse, dem Würzjoch und der Nockalmhöhenstrasse durften wir einige Highlights befahren. Wie immer kam natürlich auch, Grüße an den Passo San Lugano, der Quaeldich-Faktor nicht zu kurz. Mit Steffi hatte ich zudem eine völlig unkomplizierte Reisebegleiterin. Natürlich hatte sie nicht ganz mein Leistungsniveau. Trotzdem konnten wir auch an den Anstiegen viele Kilometer zusammenfahren, auch wenn sie dafür manchmal mächtig kämpfen musste. Auch sonst verstanden wir uns prima und es war schön, sowohl morgens und abends als auch unterwegs jemanden zum Quatschen zu haben. Danke dafür. Danken möchte ich jetzt aber auch mal meiner Frau, die mich wieder einmal ohne zu Murren alleine in die Alpen ziehen ließ. Wobei alleine diesmal ja nicht mal stimmte, da ich ja in weiblicher Begleitung unterwegs war. Das macht bestimmt nicht jede Frau mit!

Allerdings musste ich nach dem Urlaub feststellen, dass ich weniger Erinnerungen mitnahm, als die Jahre zuvor. Der Vergleich ist vielleicht etwas unfair, da ich mir sowohl vor 2 Jahren mit der Transalp Genf – Nizza, als auch im letzten Jahr mit dem Colle del Nivolet einen Traum erfüllt hatte. Vielleicht lag es aber eben auch daran, dass ich nicht alleine unterwegs war. Als typischer Mann kann ich mich ja nicht gleichzeitig auf zwei Dinge konzentrieren. Es wäre also durchaus denkbar, dass ich so eine Fahrt völlig alleine besser auf- und dadurch wahrnehme. Glücklicherweise kamen einige Erinnerungen an den Urlaub beim Schreiben dieses Berichtes und beim Betrachten der Bilder wieder zurück. Vielleicht werde ich also auch nächstes Jahr mit Steffi die Alpen unsicher machen. Pläne dazu sind jedenfalls reichlich vorhanden!

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